Kultur: ZURÜCK - LESUNG
Das literarische Motiv ist so alt wie das Gewerbe selbst.Mal steht sie als schöne Seele, Opfer ihres Milieus oder Ausgestoßene im Zentrum der Literatur: die Hure.
Das literarische Motiv ist so alt wie das Gewerbe selbst.Mal steht sie als schöne Seele, Opfer ihres Milieus oder Ausgestoßene im Zentrum der Literatur: die Hure.Katharina Thalbach trägt im Maxim Gorki-Theater einen malerischen Lumpenrock und ein pralles Mieder, rot wie die Sünde, mit fleischfarbenen Körbchen, die mehr zur Schau stellen, als sie verhüllen.Klappert kokett mit den getuschten Augenlidern und kommt ohne Umschweife zur Sache, denn: "Zeit ist Geld." Die erste Protagonistin der "Hurengeschichten", eine "öffentliche Sünderin der Stadt", salbt dem Fremden die Füße mit Tränen, und die Schauspielerin tönt wie von der Kanzel: "Ihr werden viele Sünden vergeben, weil sie viel geliebet hat." Der Autor dieser frühen Hurengeschichte heißt Lukas (7, 36-50), der Fremde ist der Erlöser höchstselbst.Weiter geht es im Sündenkompendium mit einer gänzlich unchristlichen Beichtepisode.Mit unschuldigem Augenaufschlag und lammfrommem Stimmchen erweckt Thalbach die Josefine Mutzenbacher zur unschuldigen Lispelfee und schnarrt den sündenschnaufenden Beichtvater dermaßen vergnüglich, daß man mit ihm nur noch ausrufen möchte: "Hergott, ist das süß!" Thalbach liest unschuldig, brutal, verrucht, und stets erotisch: ob Zilles "Hurengespräche" (in schönstem Berliner Idiom), Moravias psychologisierende Männerphantasien oder Selbys naturalistische, erschreckend brutale Vergewaltigungsepisode.Thalbach, die 1969 15jährig als Hure Betty in der "Dreigroschenoper" debütierte, macht mit ihrer Tour durch die literarische Halbwelt Lust auf ihre John-Ford-Inszenierung "Schade, daß sie eine Hure ist" (Premiere: 10.März, Gorki).
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