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Kultur: ZURÜCK - SCHLAGER

Am Ende des Jahrhunderts kommt die Kultur nicht mehr von der Stelle.Statt voran geht es bloß noch zurück.

Am Ende des Jahrhunderts kommt die Kultur nicht mehr von der Stelle.Statt voran geht es bloß noch zurück.Wehmütig sehnen sich die heute Dreißigjährigen in ihre Kindheit zurück, in der die Hosen noch Schlag hatten, Cindy und Bert noch ein Paar waren, und wer eine "CD" kaufte, noch eine Seife bekam.Identitätsstiftend wirken heute nicht mehr Ideologien, sondern Erinnerungen.Die an gemeinsam bei "Dalli Dalli", "Lassie" oder "Was bin ich?" abgesessene Fernsehabende zum Beispiel.Nostalgie: eine Marktlücke.Derzeit besonders gefragt: der deutsche Schlager.Babs & die Boogie-Boys konzentrieren sich auf die Ohrwürmer der sechziger Jahre."Marmor, Stein und Eisen bricht!" heißt die Zeitreise des Köln-Balinger Trios in der Ufa-Fabrik (noch bis zum 20.Dezember, Mi-So 20.30 Uhr).Babs (Alice Dütsch) trägt eine Barbarella-Hochfrisur, Bernd (Enrique Keil) hat sich die Sergeant Pepper-Uniform übergezogen, und Kurt (Michael Xander) steht stoisch hinter seiner Hammondorgel und wirft irre Klaus-Kinski-Blicke.Wir schreiben den 21.Juli 1969.In neunzig Minuten wird Neil Armstrong als erster Mensch seinen Fuß auf den Mond setzen.Bis dahin gilt es, die Zeit zu überbrücken.Roy Black ruft an, Anti-Baby-Pillen gehen rum, und Papst Johannes XXIII.erteilt seinen Segen.Die Kalauer bleiben matt, doch dafür klingen manche der mit Inbrunst geschmetterten Schlager umso großartiger."Du läßt dich gehen" wird zum bitteren Abrechnungschanson, "Mama" zur zerkreischten Kleinkindhymne.Das Finale: ein Hochgeschwindigkeitsmedley aus "Mana Mana", "Mein Freund der Baum", "Downtown" und zwei Dutzend weiteren Titeln.So schön war die Zeit.

CHRISTIAN SCHRÖDER

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