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INTERNATIONALES LITERATURFEST BERLIN Manchmal trennen Sprachen die Menschen effektiver als Ozeane. Wenn dann das erste Treffen zweier Personen unterschiedlicher Sprache trotzdem glückt, ereignet sich etwas, das man vielleicht ein poetisches Wunder nennen kann.

INTERNATIONALES LITERATURFEST BERLIN

Manchmal trennen Sprachen die Menschen effektiver als Ozeane. Wenn dann das erste Treffen zweier Personen unterschiedlicher Sprache trotzdem glückt, ereignet sich etwas, das man vielleicht ein poetisches Wunder nennen kann. So mögen viele Besucher der Poetry Night am Freitag die Gedichte des Südkoreaners Ko Un zum ersten Mal in der Originalsprache gehört haben. Berührt haben seine Verse sie dennoch. Ein Schnaufen, Zittern, Raunen lief durch die Sophiensäle als Ko Un den Vortrag des Gedichts „Zum Hafen“ beendet hatte. Bei ihm ist der Hafen keine Stätte der Sehnsucht, sondern Ort voller „unnötigem Ballast“. Nicht auf das ferne Glück richtet er seinen Blick, sondern auf das bedrückende Chaos daheim, zuweilen gar in der eigenen Person.

Ko Un, der zehn Jahre als buddhistischer Mönch lebte, hat mehrere Identitätswechsel hinter sich. 1980 für seinen Einsatz in der koreanischen Demokratiebewegung zu lebenslanger Haft verurteilt, wird er zwei Jahre später begnadigt und arbeitet jetzt als Professor an der Universität Seoul. Seine expressionistische Gestik schlägt in den Bann, bevor Sprecher Friedhelm Ptok die deutsche Übersetzung aus dem jüngsten Gedichtband „Ein Tag voller Winde“ (Pendragon Verlag) nachtrug. Er las gezügelter als der Koreaner, übertrug dessen Nachdruck aber untergründig ins Deutsche. Besser konnte er unentschlossenen Entdeckern der Weltliteratur nicht zurufen: Nur Mut!

Dass der Irak-Krieg das Verhältnis zwischen Europa und den USA neu zur Disposition stellt, wird allenthalben analysiert und kommentiert. Doch dass die geopolitische Verwerfung nicht folgenlos bleibt für andere Kontinente, blendet man meist aus. Mit dem Symposium „Drifting Continents“ rücken nun die vernachlässigten Regionen in den Fokus. Schriftsteller aus Lateinamerika, Afrika und Asien diskutieren in der Schaubühne die veränderte Tektonik der weltpolitischen Beziehungen und versuchen sich an der Bestimmung eines eigenen Standorts (heute, ab 10 Uhr).

Welche Facetten der „Krieg gegen den Terrorismus“ in Indonesien annimmt, könnte man von der jungen Journalistin und Starautorin Ayu Utami erfahren. Der Schriftsteller Darío Jaramillo Agueldo hat am finsteren Genre der literatura de la violencia, also der Literatur der Gewalt, in seinem Land mitgeschrieben – er vertritt das vom Bürgerkrieg aufgeriebene Kolumbien. Auch der in New York lebende Inder Shashi Tharoor, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit bei der UNO und verhinderter Festredner zur Eröffnung des Festivals, wird da sein. Viele wie Nuruddin Farah (Somalia und Südafrika), Tariq Ali (Pakistan und Großbritannien) oder Abdelwahab Meddeb (Tunesien und Frankreich) - sind als Emigranten und polyglotte Grenzgänger versiert. Europa, das nicht so recht weiß, ob es alt oder neu ist und wo seine Grenzen verlaufen, könnte einiges lernen. Steffen Richter

Steffen Kraft

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