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Geschichtsträchtig. Das Quirinus-Münster in Neuss.

© Imago/Stefan Ziese

Zurück zu den Wurzeln (9): Beautiful Neuss

zu Hause sind alle Covid-Ecken ausgeleuchtet. Wir gehen in dieser Sommerserie an den Anfang zurück: Urlaub in der Kindheit und Jugend.

Wer dieser Tage durch Neuss fährt, sieht an so mancher Fassade Fahnen wehen – und wundert sich. Eigentlich ist Deutschlands größtes Schützenfest, das im August stattfindet, doch wegen Corona abgesagt. Die Schützenkorps mochten es nicht verwinden und forderten ihre Mitglieder auf, wenigstens zu flaggen. Seitdem flattern trotzig Doppeladler, weißes Kreuz und Kaiserkrone im Wind, samt neun goldenen Kugeln, dem Erkennungszeichen des Stadtpatrons St. Quirin.

Neuss dampft vor Brauchtum und Geschichte, an jeder Ecke erfährt man davon: hier die Reste eines Römerlagers, das Caesars Soldaten auf ihrem Weg von Gallien erbauten, dort das wuchtige Obertor aus dem 13. Jahrhundert, in dessen Schatten ich meine erste Wohnung bezog.

Da hatte ich mein Abitur auf Marienberg bei den Schwestern vom Armen Kinde Jesu und anschließend ein Volontariat bei der rabenschwarzen Neuß-Grevenbroicher Zeitung absolviert, die das 1968 im Stadtnamen abgeschaffte ß stoisch weiterführt.

All das könnte genügen, um sich von der am Niederrhein gelegenen Stadt loszusagen. Das Gegenteil ist der Fall: Neuss ist beliebt, erlebt einen stetigen Zuzug, die Stadt zählt knapp 160 000 Einwohner. Das mag auch an der günstigen Verkehrsanbindung liegen, der florierenden Wirtschaft.

Im Hafen stehen drei Ölmühlen, die eine leitete mein Vater. Manchmal besuchte ich ihn nach der Schule im Direktorenhaus, einem zwischen Silos und Raffinerie eingepferchten Jugendstilbau. Eine irre Location, perfekt auch für einen Tatort mit Schimanski, der dort auf eine Leiche stieß.

Die Stadt hat zweifelsohne ihre Schönheiten

Wenn in den Ölmühlen produziert wird, weht noch immer ein strenger Geruch zur Stadt herüber, den niemand recht zu stören scheint. Vielleicht weil er sich genauso schnell verflüchtigt, wie er kommt.

Und dann steht die Stadt wieder tadellos da als „Beautiful Neuss“, wie ein Werbeslogan in den 80er Jahren in Anlehnung an den Neil-Diamond-Song lautete.

Sie hat ihre Schönheiten, zweifellos: den Stadtpark, das Clemens-Sels-Museum, die Erft und ihre Auen, vor allem das prächtige Quirinus-Münster aus dem 13. Jahrhundert.

Direkt am Markt befindet sich auch das Vogthaus, wo Alt gezapft wird. Vis-à-vis gibt es zünftige Stullen bei Lonnes & Leusch. Zur vollen Stunden erklingt ein Glockenspiel, dann dreht oben ein Schützenzug – Grenadiere, Sappeure, Jäger – seine Runde. Ohne geht es hier nicht.
Bisher erschienen: Worms (2. 7.), Völklinger Hütte (9. 7.), Berlin-Konradshöhe (14. 7.), Leverkusen (17. 7.), Kassel (21. 7.), Berlin-Lichterfelde (26. 7.), Bad Abbach (30. 7.), Naturpark Südheide (2.8.)

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