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Kultur: Zwei Sprachen, zwei Leben

"Geschwister" spielte in Berlin am Kottbusser Tor, "Aprilkinder" in Hamburg.Warum fällt diesen jungen türkischen Regisseuren nur alles so leicht?

"Geschwister" spielte in Berlin am Kottbusser Tor, "Aprilkinder" in Hamburg.Warum fällt diesen jungen türkischen Regisseuren nur alles so leicht? Beinahe sieht es aus, als hätten sie irgendwo eine Kamera hingestellt, und die Geschichte sei dann ganz von selbst vorbeigekommen.So direkt ist das.Einfälle? Wozu? Die hat das Leben selbst.Man muß sie nur bemerken.So wie Yüksel Yavuz in seinem ersten Spielfilm.In der Türkei ist er geboren, in Deutschland aufgewachsen.Er hat die Hellsicht von Menschen, deren Existenz das Dazwischen ist.Unbequeme Haltung, sicher, aber man kann schöne Filme daraus machen.

Eine ganz normale türkische Familie in Deutschland.Wenn es denn sowas gibt.Abend.Die Tochter deckt den Tisch, nein, sie tanzt das Tischdecken.Dilan hört Tarkan.Mit Walkman, um die Mutter nicht zu stören.Ihr Bruder Mehmet beobachtet mißmutig diesen Verfall der Sitten.Die Mutter kocht.Manchmal schaut sie sich nach Mütterart sorgend um.Aber welche Mutter versteht schon ihre Kinder? Und dann auch noch, wenn sie deutsch sprechen? Ein Gesicht im Exil.Serif Sezer spielt eine wunderbare Mutter.Wenn Cem, der älteste Sohn, nach Hause kommt, ist für einen ewigen Augenblick Heimat, selbst hier.Cem spricht türkisch mit ihr.Und bald, wenn er geheiratet hat, wird er ein richtiger Mann sein! Die Mutter lächelt, ganz für sich."Du stinkst nach Schwein!", ruft Mehmet, der jüngere.Die Fremde kehrt zurück ins Gesicht der Mutter.Cem sagt nichts.Er arbeitet in einer Wurstfabrik.Er stinkt nach Schwein.

In dieser furiosen Anfangsszene ist alles drin.Zwei Sprachen, zwei Leben.Die Mutter hat nur eine, der Vater gar keine mehr.Er muß sie in der Fabrik verloren haben.Ein altgewordener, kranker Patriarch im Bett.Wozu braucht man da noch eine Sprache?

Und Cem? "Aprilkinder" ist ja im Grunde sein Film.Erdal Yildiz gibt diesem Mann eine eigentümliche Sanftheit, eine beinahe scheue Distanz.Vielleicht kommt sie aus Nachsicht gegenüber den Menschen.Weil alles, was einer tun kann, schon falsch ist.Menschen, die das wissen, werden oft von Beruf Beobachter.Außerdem, Cem weiß das, stinkt er nach Schwein.Der geborene Zuschauer.Nur Kim, der deutschen Prostituierten (Inga Busch), ist das nicht genug.Cem liebt Kim.Und er liebt seine Mutter.Seine Mutter sagt, daß endlich eine Cousine aus der Heimat unterwegs nach Deutschland sei und nennt Cem jetzt "meinen schönen Bräutigam": "Was heißt, du kennst sie kaum? Sie ist doch deine Cousine!"

Eiszeit (OmU), Hackesche Höfe

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