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Kultur: Zwei Staaten, eine Feder

geht einer überraschenden These nach Jeder hat mal einen schlechten Tag. Sagen zumindest die Kommentatoren der Tour de France.

geht einer überraschenden These nach Jeder hat mal einen schlechten Tag. Sagen zumindest die Kommentatoren der Tour de France. Nur Lance Armstrong nicht. Der Lesebetrieb hingegen hat gerade Sommerpause. Doch glücklicherweise platzt in die Verträumtheit ein soeben erschienenes Buch, das mit einer bemerkenswerten These aufwartet: Die staatliche Teilung Deutschlands habe nicht die literarische nach sich gezogen.

Das liegt nun quer zur bisherigen Vorstellung einer getrennten Entwicklung. Die überraschende Idee der einheitlichen Literatur vertritt nun der Germanist Roland Berbig von der Humboldt-Universität. Gemeinsam mit einer studentischen Forschungsgruppe hat er Fragebögen an Schriftsteller verschickt, Gespräche mit ihnen geführt und die Ergebnisse in dem Band „Stille Post. Inoffizielle Schriftstellerkontakte zwischen Ost und West“ (Ch. Links Verlag) herausgegeben.

Was Christa und Gerhard Wolf, Peter Rühmkorf, Günter Gaus oder Wolf Biermann da erzählen, ist schon spannend. Natürlich gab es immer einen Ost-West- Transfer in beide Richtungen: Offizielle Kontakte, private Freundschaften und die ganze Grauzone dazwischen. Schon Johannes Bobrowski, der als einziger Ostdeutscher den Preis der Gruppe 47 gewann, organisierte in seinem „Friedrichshagener Dichterkreis“ gesamtdeutsche Lesungen zur „Beförderung der schönen Literatur und des schönen Trinkens“. Ungemein rührig war die Evangelische Akademie in Weißensee, die unter halbwegs liberalem kirchlichen Dach just nach dem Mauerbau Westdeutsche wie Enzensberger, Walser oder Böll zu Tagungen eingelud. Und in „Wolff’s Bücherei“ in Friedenau gaben sich ostdeutsche Autoren wie Kunert, Hermlin oder de Bruyn die Klinke in die Hand – ganz zu schweigen von den Empfängen bei Günter Gaus in der Ständigen Vertretung. Westdeutsche Literatur hatte im Osten den Reiz des Verfemten. Und DDR-Literatur, zumal die von Frauen, stieg in den links und feministisch engagierten Siebzigern auch in der Bundesrepublik im Kurs. Es lohnt sich also, neu hinzuschauen, nachdem in den hektischen Neunzigern gern en bloc über die DDR-Literatur abgestimmt wurde.

Was aber sagen die persönlichen Anekdoten über die Texte aus? Lassen sich Volker Brauns Gedichte im Westen denken, sind Botho Strauß’ Dramen im Osten vorstellbar? Spielten hier die Zensur, da die Marktgesetze denn gar keine Rolle? Das alles kann man Roland Berbig fragen, wenn er am 13.7. mit F.C. Delius und Helmut Böttiger im Literarischen Colloquium sein Buch diskutiert (Am Sandwerder 5, Zehlendorf, 20 Uhr).

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