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Kultur: Zwei Würfel und ein Denkmal

Bauen in unmittelbarer Nachbarschaft zu bedeutenden Baudenkmälern ist eine der schwierigsten Aufgaben für Architekten. Eine derartige Situation ergab sich auf dem Grundstück neben Hans Poelzigs Haus des Rundfunks (1929/30) an der Charlottenburger Masurenallee.

Bauen in unmittelbarer Nachbarschaft zu bedeutenden Baudenkmälern ist eine der schwierigsten Aufgaben für Architekten. Eine derartige Situation ergab sich auf dem Grundstück neben Hans Poelzigs Haus des Rundfunks (1929/30) an der Charlottenburger Masurenallee. Rund um dieses Meisterwerk der Moderne herum ist im Lauf des vergangenen Jahrhunderts eine höchst heterogene Bebauung entstanden. Hätte man das Haus des Rundfunks in jene Blockrandbebauung eingebettet, mit der dank des Planwerks Innenstadt derzeit zahlreiche Straßenräume der Moderne in Berlin zerstört werden - es wäre um seine Wirkung geschehen gewesen. Die sanft geschwungene Rückseite des Gebäudes wäre künftig den Blicken entzogen gewesen.

Doch stattdessen fiel die Entscheidung zu Gunsten des Baus von drei würfelförmigen Hochhäusern nach Entwurf des Architekturbüros Engel und Zillich. Zwei von ihnen dienen inzwischen als Sitz der Kassenärztlichen Vereinigung. Das Dritte, an dessen Stelle derzeit noch ein Parkhaus steht, soll folgen. Deutlich hintereinander versetzt folgen die Bürohäuser der Kubatur des Hauses des Rundfunks und modellieren dabei geschickt den Stadtraum. Zwar rücken sie dem Baudenkmal mächtig auf den Leib und setzen mit ihren acht Geschossen auch einen Höhenakzent jenseits der Traufhöhe des Poelzig-Baus. Doch das tut der Wirkung des Hauses des Rundfunks kaum Abbruch. Mit seiner dunkelrot-violetten Fassade besitzt es genügend Kraft und Standfestigkeit, um sich gegenüber seinen neuen Nachbarn zu behaupten. Im Gegenteil wird die städtebauliche Situation durch die beiden Neubauten aufgewertet, denn je näher man der Schnittstelle zwischen Alt- und Neubau kommt, desto interessanter wird das Spiel der Räume und Schichten zwischen der gebogenen roten Rückfront des Hauses des Rundfunks und den hintereinander gestaffelten weißen Kuben. Dass die Häuser von Engel und Zillich schon von weitem auffallen, liegt nicht nur an ihrer Höhe und den leuchtend weißen Fassaden, sondern auch an den ungewöhnlichen Kasten-Doppelfenstern. Sie kragen leicht aus der Fassade aus und verleihen ihr dadurch ein dezentes Relief. Außen bestehen die Fenster aus einer dunklen Aluminiumkonstruktion, die innen liegenden Fenster sind dagegen aus Holz. Ihre großzügigen Abmessungen lassen nicht nur viel Licht in die Büros, sondern machen es auch möglich, dass man vom Schreibtisch aus den Blick auf die Stadt genießen kann. Dafür musste eine zusätzliche Absturzsicherung an den Fenstern hingenommen werden.

Eine glückliche Lösung haben Engel und Zillich auch für den Veranstaltungsraum gefunden, den die Kassenärztliche Vereinigung benötigt. Er wurde kurzerhand ins Untergeschoss abgesenkt, doch ohne dabei Souterrain-Atmosphäre aufkommen zu lassen. Der unterteilbare Veranstaltungsraum öffnet sich zu einem hellen Tiefgarten, der den Charakter eines von der Außenwelt abgeschirmten Patio besitzt. Im Inneren sind die beiden Hochhäuser jeweils um einen zentralen Lichthof angelegt, der mit hellgrauem Granit verkleidet wurde. Zu ihm orientieren sich das Treppenhaus und die Nebenräume. Die Büros dagegen sind alle nach außen gerichtet. Schade ist allerdings, dass sich die Qualitäten des städtebaulichen Konzeptes und der Fassadengestaltung nicht bis in die Details durchziehen. Das betrifft besonders das Erdgeschoss und die Außenanlagen - sieht man einmal von den zu groß geratenen gläsernen Dachhäuschen über den Lichthöfen ab, die die Fernansicht erheblich stören. So stellt sich die Frage, ob in den Zeiten eines geradezu inflationären Gebrauchs von Naturstein die Verkleidung des Sockelgeschosses mit Granitplatten wirklich noch als Nobilitierung von Architektur zu lesen ist oder nicht doch eher eine Trivialisierung darstellt. Zudem sind im Erdgeschoss die Aluminiumprofile der Fenster allzu breit geraten, und auch die Verkleidung der Fenstergewände mit weißen Alublechen hinterlässt keinen besonders gelungenen Eindruck. Wenig elegant sind zudem die Metallgeländer rund um den Patio sowie die weißen Abdeckungen der Gartenmauern. Und dass vor die Haustüre der Kassenärztlichen Vereinigung noch einige Pkw-Stellplätze gequetscht wurden, geht zu Lasten der Wirkung der Außenraumgestaltung.

Allerdings sollte diese Kritik nicht über die positiven Aspekte des Entwurfs von Engel und Zillich hinwegtäuschen. Im Zusammenklang mit dem Haus des Rundfunks beweist die offene Stadtstruktur rund um die beiden Neubauten an der Masurenallee, dass das Schließen von Blockrändern eben doch nicht alles ist.

Jürgen Tietz

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