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Kultur: Zwischen Grün und Grau

Dresden I: „Dschungelbilder“ von Thomas Struth im Albertinum

Die „Dschungelbilder“ des Düsseldorfer Fotografen Thomas Struth, die die Fluten im Dresdner Albertinum unbeschadet überstanden haben, würden „ein neues Natur- und Weltverständnis“ ermöglichen, meinte die Ausstellungsleitung, als die Schau eröffnet wurde. Doch im Spiegel der jüngsten Naturereignisse klingt ein solches Versprechen an das Publikum hohl wie eine Werbemaßnahme – oder verlangt nach tagelanger Meditation in situ, um dem angekündigten Verständnis teilhaftig zu werden. Denn zunächst entführen die zehn Großformate aus meist erhöhtem Standpunkt den Seh-Sinn in ein Geflecht schillernder Farben zwischen Grün und Grau, die sich durch Lichtbrechungen auf Steinen, Stämmen, Blättern in messerscharfen Cibachromen entwickelt haben. Und das Auge verliert sich um so mehr in Details, wenn die Brille des versprochenen Weltbilds fehlt. Struth verwandelt den Blick auf das Wuchern der Pflanzen in den Wäldern Südamerikas, Australiens, Asiens und des Bayrischen Walds in Bildarchitektur: alles im Griff. Die Ordnung im visuellen Chaos ist beliebig, aber gerade deshalb authentisch im Blick. Es sind Bilder eines Durchreisenden.

Thomas Struth gehört zum stärksten Sproß der Düsseldorfer Becher-Schule. Man hat ihn „einen liebevollen Koloristen“ genannt, weil er Blumen auf der Wiese mit derselben Achtsamkeit ins Bild rückt wie Innenräume von Kirchen, Straßenzüge in Großstädten oder Familien im Wohnzimmer. Er ist der thematisch Vielfältigste neben Gursky, Höfer, Hütte, Ruff. Sein erster Lehrer hieß Gerhard Richter, und dessen Ermunterung zum großen Horizont blieb prägend. Während der Vorbereitungen zu seiner US-Retrospektive – seit Juli in Dallas zu sehen – laufen kleinere Ausstellungen in Europa parallel.

In einer Berliner Galerienausstellung hat Struth letztes Jahr die kunterbunte Kunstwelt von Las Vegas in Szene gesetzt. Sie gehörten wie die „Dschungelbilder“ zur Serie „Neue Bilder aus dem Paradies“ und stellten das Unterschiedliche im Ähnlichen heraus. Auch in Dresden muss man den Willen zur Konzentration mitbringen. Denn das Ähnliche – zumal in Grün – gleicht sich aus.

Die Großformate erscheinen als Verfremdung des Naturbilds wie Architektur gefügt. Struth sucht den ausbalancierten Ausschnitt in den wuchernden Wälder, von denen man liest, dass sie in Gefahr sind, und setzt sie mit der wuchernden Künstlichkeit von Las Vegas in gleichgültigen Kontrast. Es handelt sich nicht um ein ökologisch-utopisches Projekt, sondern um eine Registratur nuancierter Oberflächen im Weltmaßstab. Struth orientiert dieses Projekt ebenso an den Vorgaben der Dokumention wie an seinem eigenem Leben. Denn als Langzeitvorhaben kommt es seiner Reisetätigkeit sinnvoll entgegen. Peter Herbstreuth

Dresden, Albertinum, bis 8. September.

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