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Wolkenkistenheim

© White Cube Berlin / ddp

Zwischenlösung: Das Wolkenkistenheim

Lange schien der Kampf für eine Zwischenlösung aussichtslos. Nun konkurrieren gleich zwei Entwürfe um den Schlossplatz

Kunst und Kiste, beide verbindet wohl mehr als nur der erste Buchstabe: Wann immer sich in Berlin bislang ein Raum mit Kunsthallen-Charakter etablieren konnte, gab sich die äußere Hülle rechteckig bescheiden.

Wegen der Querelen um den Hamburger Bahnhof und der Platznot für Gegenwartskunst in Berlin ist in diesen Tagen wieder viel die Rede von der langfristigen Notwendigkeit einer stationären und dem akuten Bedarf für eine temporäre Kunsthalle. Zeit für einen Rückblick: Den Anfang machte in den siebziger Jahren die Staatliche Kunsthalle in der Budapester Straße. Auf Einladung ihres Direktors Dieter Ruckhaberle gastierten damals auf zwei Etagen des Bikinihauses Künstler von internationalem Rang – darunter Robert Rauschenberg, der zur Eröffnung seiner Schau selbst vorbeikam und den Standort herzlich unspektakulär fand. Dennoch ließen sich etablierte Häuser wie die Kestner-Gesellschaft Hannover, der Münchner Kunstverein oder das Pariser Centre Pompidou auf die ungeliebte Adresse ein und reichten wichtige Ausstellungen als Übernahmen weiter.

1993 schloss die Halle. Der damalige Kultursenator Ulrich Roloff-Momin hatte schon länger über die Zukunft der Institution nachgedacht: zu teuer, zu provinziell, lautete sein Urteil. Ruckhaberle wurde zum Künstlerhof Buch versetzt und die Halle mit ihrem inzwischen schwindelerregend hohen Mietpreis aufgegeben – obwohl es keine alternative Ausstellungsadresse gab. „Für die meisten wird das Ausmaß des Verlustes erst spürbar sein, wenn die Liquidation abgeschlossen ist“, schrieb der Tagesspiegel in einem Nachruf. „Mit der Kunsthalle bricht die einzige freie, nicht an eine Sammlung gekoppelte Ausstellungsmöglichkeit weg.“

Tatsächlich öffnete erst fünf Jahre später eine neue Kunsthalle ihre Türen. Diesmal auf der Chausseestraße und wieder in einer strengen Kiste, die zuvor als Supermarkt gedient hatte. „Init“, ein Projekt der Galeristen Christian Nagel, Alexander Schröder (Galerie Neu) und der heutigen Leiterin der Kunsthalle Baden-Baden, Karola Grässlin, strahlte mit seinen umfangreichen Ausstellungen vor allem aktueller Malerei zwei Jahre lang weit über Berlin hinaus. Doch Galeristen agieren nur bedingt ohne eigene Absichten: „Init“ blieb eine geschlossene Gesellschaft. Räumlichkeiten für Gegenwartskunst fehlten auch weiterhin in Berlin.

Was man schmerzlich vermisst, sorgt manchmal für logistische Wunder. Nur so ist es zu erklären, dass die Kuratorinnen Coco Kühn und Constanze Kleiner im Winter 2005 innerhalb weniger Wochen eine wunderbare Ausstellung im verwüsteten Palast der Republik realisieren konnten. „36 x 27 x 10“ hieß die Schau mit Arbeiten von Franz Ackermann, Olafur Eliasson und anderen in Berlin ansässigen Topkünstlern, die in der Stadt jenseits ihrer Galerien keine angemessene Basis für Präsentationen haben. Die drei Zahlen im Titel bezifferten die Metermaße jener schneeweißen Kiste, die Kühn und Kleiner als Überbleibsel der vorherigen Ausstellung im Palast der Republik vorfanden.

Aus dieser Improvisation und den positiven Reaktionen auf die temporäre Kunsthalle an prominenter Stelle ist die „White Cube Berlin GmbH“ erwachsen. Sie stellt den Entwurf des Wiener Architekten Adolf Krischanitz für den Schloßplatz zur Debatte – eine schlichte Kiste für die Zwischennutzung, die mit ihrer äußeren Membran immer wieder umgestaltet werden kann. Eine private Finanzierung steht laut Coco Kühn inzwischen auf festen Füßen, doch auch das wolkenförmige „Museum auf Zeit“ des Architekturbüros Graft nimmt immer festere Konturen an.

Ins Spiel gebracht hat es das Kunstmagazin „Monopol“, das ebenfalls erfolgreich nach privaten Sponsoren fahndet und sich mit großer architektonischer Geste nicht nur von der bisherigen Tradition der schlichten Kiste verabschiedet. Darüber hinaus setzt „die Wolke“ die von allen gewünschte, gleichwohl ungewisse Zukunft einer stationären Kunsthalle für Berlin in ein passendes Bild um.

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