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Kultur: Zwölf Punkte

Dubioza Kolektiv rocken das Berliner Lido.

Beim Eurovision Song Contest belegt Bosnien und Herzegowina meistens einen der vorderen Plätze. So wurde Dino Merlin letztes Jahr zum Beispiel Sechster. Gewonnen hat das Land allerdings noch nie. Das will Dubioza Kolektiv, die bekannteste Band Bosniens, jetzt ändern. Auf ihrem neuen, sechsten Album „Wild Wild East“ bewerben sie sich mit dem „Euro Song“ um die Schlagerkrone.

Beim Konzert im vollen Berliner Lido geben sich die Bandmitglieder selber dreimal „Zwölf Punkte“, die sie auf Pappschildern hochhalten. Doch das mit folkloristischen Klischees verzierte und mit extrahartem Akzent gesungene Lied hat einen ernsten Kern. Im Refrain heißt es: „I’m sick of being European just on Euro Song, just on Euro Song.“ Die siebenköpfige Band würde gerne nicht nur beim Sängerwettstreit zu Europa gehören. Ein Traum, dessen Erfüllung wahrscheinlich noch ferner liegt als ein bosnischer Sieg beim Eurovision Song Contest oder bei einer Fußball-EM. Das Land liegt im toten Winkel Europas, gelähmt von den Folgen des Dayton-Abkommens und völlig zerstrittenen Parteien. Nach den letzten Wahlen im Oktober 2010 dauerte es fast 15 Monate, bis eine Regierung gebildet wurde.

Dubioza Kolektiv sparen nicht mit Kritik an ihrem Land. Gleich nach dem „Euro Song“ spielen sie „Firma Ilegal“, eine Abrechnung mit den gierigen, nur leere Versprechungen machenden Politikern und Bürokraten. „Sramota“ (Schande) brüllen ihnen die beiden Sänger Almir Hasanbegovik und Adis Zvekik vom Bühnenrand entgegen. Sie tragen wie der Rest der Band gelb-schwarze Fußballtrikots und gelb- schwarze Ringelsocken. Das passt: Ihre 90-minütige Show ist äußerst sportlich und schweißtreibend. Sie halten das Energielevel mit ihrem dynamischen Gemisch aus Rock, Rap, Reggae und Balkanfolk konstant hoch. Im Publikum, mehrheitlich Jugo-Diaspora und Gastarbeiterkinder, herrscht Hüpfpflicht.

Man merkt der Band an, dass sie quasi ununterbrochen auf Tour ist. Perfekt eingespielt kann sie das Tempo nach Belieben variieren und ohne Vorwarnung aus einem schunkelnden Off-Beat-Rhythmus in eine rockende Abfahrt übergehen. Elegant bauen sie einen kleinen Zitatgruß an das Plavi Orkestar ein, eine supererfolgreiche jugoslawische Popgruppe aus den achtziger Jahren. Und kurz darauf klingen sie wieder wie die bosnische Ausgabe von Rage Against The Machine. Im Zugabenteil spielen Dubioza „Blam“, ihren Hit aus dem Jahr 2008, der lautstark mitgesungen wird und für jeden Eurovision Song Contest eine Bereicherung gewesen wäre. Aus Berlin: zwölf Punkte. Nadine Lange

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