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Die Sieger gaben sich für die Fotografen versöhnlich, doch hinter den Kulissen taten sich bereits Risse in der Koalition der Alliierten auf. Das Archivbild zeigt den britischen Premierminister Winston Churchill, den amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman und den sowjetischen Regierungschef Josef Stalin (v.li.) während der Potsdamer Konferenz vor Schloss Cecilienhof.

© picture-alliance / dpa

70 Jahre Potsdamer Konferenz: Der Kalte Krieg begann in Schloss Cecilienhof

Im Juli 1945 reisten Churchill, Stalin und Truman zur Potsdamer Konferenz, um die Nachkriegsordnung in Europa zu regeln – und ihre Kräfte zu messen.

Schon ein Blumenbeet ist Politik. Jedenfalls an exponiertem Ort und in richtiger Form und Farbe. Zum Beispiel in der des Sowjetsterns aus roten Geranien, wie er seit 70 Jahren im Innenhof von Schloss Cecilienhof blüht, floristische Erinnerung an die Potsdamer Konferenz, die dort vom 17. Juli bis 2. August 1945 stattfand. Von den Sowjets beauftragte Gärtner hatten ihn in den Wochen vor der Konferenz angelegt, und das war keineswegs bloße Dekoration. Mit dem Stern signalisierte Stalin den anderen Konferenzteilnehmern, US-Präsident Truman, dem britischen Premierminister Churchill und dessen Nachfolger Attlee, dass er hier in Potsdam nicht nur Ausrichter der Treffens, sondern auch Hausherr, insofern in herausgehobener Position war.

Klar, der Stern war eine kleine Provokation, eine Stichelei besonders gegenüber Stalins Hauptkontrahenten Churchill, der jeden Tag an dem flammend roten Blumensymbol vorbei musste. Denn der Weg der britischen Delegation führte über den Hof, während die Amerikaner ihre Delegationsräume über den zur Linken liegenden Eingang des späteren Hotels erreichten und die Sowjets ihre über eine seeseitige Terrassentür. Sogar mit der Raumaufteilung der im Schloss streng getrennten Sektoren hatte man Politik getrieben. Im Erdgeschoss nutzten Amerikaner und Sowjets je zwölf Räume, Stalin etwa das ehemalige Arbeitszimmer von Prinzessin Cecilie – noch immer steht darin sein im eher schlichten Gründerzeitstil gehaltener Schreibtisch. Die Briten waren im Obergeschoss einquartiert, in elf Räumen. Der zwölfte lag im Erdgeschoss, ihn musste Churchill durchqueren, um in den Konferenzsaal zu gelangen. Bequemer wäre es gewesen, über die imposante Haupttreppe mit ihrem kunstvoll gedrechselten Geländer direkt in den Saal herabzusteigen. Aber das hätte dem Briten tagein, tagaus einen großen Auftritt beschert, Stalins Raumgestalter hatten es klug zu verhindern gewusst.

Der Konferenztisch kam eigens aus Moskau

Das Schloss wird derzeit gründlich saniert, Hotel und Restaurant, auf dessen Speisekarten noch in den ersten Nachwendejahren die Menüs der drei Delegationen standen, sind geschlossen. Den Andrang in der Gedenkstätte mindert dies gerade in diesen Wochen des Konferenzjubiläums nicht. Eine Busladung nach der anderen wird durch die Raumfluchten geschleust, Besucher aus aller Welt, darunter viele Chinesen und Japaner, interessieren sich für das Schloss und seine Geschichte und stehen dann staunend vor dem runden, damals eigens aus Moskau herangeschafften Konferenztisch mit seinen originalen Stuhlreihen, die Sitzgelegenheiten der Großen Drei übrigens mit deutlich höheren Lehnen. Wie auch das andere Mobiliar waren sie vor der Konferenz aus den umliegenden Hohenzollernschlössern herangeschafft worden und danach in Schloss Cecilienhof geblieben, das schon 1951 zur Gedenkstätte erhoben wurde – mittlerweile mit einer gründlich umgestalteten, zuletzt 2012 aktualisierten Ausstellung.

Das sogar fernöstliche Interesse an diesem vergleichsweise kleinen, nicht mal sehr alten Schloss mag auf den ersten Blick überraschen. Doch spiegelt sich darin auch die hohe, offenbar im kollektiven Gedächtnis noch immer präsente Bedeutung der Potsdamer Konferenz, wenngleich die dabei getroffenen Vereinbarungen vielfach im Ungefähren blieben. Gewiss, man beschloss, einen Rat der Außenminister zu bilden, vereinbarte vage die Teilung der deutschen Kriegs- und Handelsflotte, kam über die künftige politische Ausgestaltung Deutschlands überein, auch über „Wirtschaftliche Grundsätze“ – all dies sehr unpräzise, am eindeutigsten noch in der Westverschiebung Polens mit der daraus resultierenden „Umsiedlung der deutschen Bevölkerung“. Ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag stand ohnehin nicht am Ende, kein „Potsdamer Abkommen“, wie es gern genannt wird, vielmehr nur das von Stalin, Truman und Attlee unterzeichnete Protokoll der „Berliner Konferenz“, wie sie damals offiziell hieß. Und dennoch wurde in Potsdam der Keim gelegt zur deutschen Teilung, begannen sich westliche und östliche Einflusszonen zu verfestigen.

Eigentlich hätte die Konferenz in Berlin stattfinden sollen, die Hauptstadt des besiegten Feindes wurde jedoch für zu zerstört befunden. In Potsdam dagegen – Marschall Schukow hatte die Stadt vorgeschlagen – waren hinreichend intakte Villen zur Unterbringung der Delegationen vorhanden, zudem das leicht zu sichernde Schloss. Und gerade bei Stalin war das Sicherheitsbedürfnis übergroß, während Churchill sich für seinen persönlichen Schutz mit einem Detective Inspector von Scotland Yard begnügte.

Und so blieben trotz halbwegs intakter Infrastruktur die Anstrengungen doch gewaltig, die die Sowjets unternehmen mussten, um Potsdam zu einem in ihren Augen perfekten Konferenzort umzugestalten. Das südlich des Griebnitzsees gelegene Areal, auf dem die Delegationen wohnen sollten, wurde gründlich nach Minen durchsucht, mancher Garten glich danach einem umgepflügten Acker. Straßen wurden ausgebessert, sogar neue angelegt, Wasser-, Stromleitungen und Kanalisation repariert. Für Stalin war eine Villa in der heutigen Karl-Marx-Straße 27 reserviert worden, Truman wohnte in der Karl-Marx-Straße 2, Churchill und Attlee in der Virchowstraße 23.

Der Amerikaner und die Briten kamen mit dem Flugzeug in Gatow an. Um ihren Weg zum Konferenzort zu erleichtern, war eine Pontonbrücke zwischen Sakrow und dem Glienicker Park gebaut worden, dazu eine hölzerne Notbrücke neben der von der Wehrmacht gesprengten Glienicker Brücke, und auch die schmale Brücke zwischen Neu-Babelsberg und Glienicke wurde repariert.

Stalin dagegen, dem Fliegen nie geheuer war, reiste mit dem Zug aus Moskau an. Auf einer sowjetischen Sonderstrecke in der breiteren russischen Spurweite gelangte sein Panzerzug über Berlin bis nach Potsdam. 18 500 Mann waren vom sowjetischen Geheimdienstchef Berija zur Sicherung der fast 2000 Kilometer langen Strecke abgestellt worden, auf der zusätzlich acht Panzerzüge des NKWD patrouillierten.

Stalin kam zu spät

Trotz der perfekten Planung kam Stalin zu spät, statt am 15. Juli wie Truman und Churchill erst am 17., einen Tag nach dem geplanten Konferenztermin. Verhandlungen mit den Chinesen hätten ihn aufgehalten und die Ärzte ihm nicht erlaubt zu fliegen, entschuldigte er sich, aber in Wahrheit war das nur einer seiner Tricks, sich wichtig zu machen. Truman und Churchill hatten so Gelegenheit zum Sightseeing, besichtigten Reichstag, Reichskanzlei und Führerbunker, die Ruinen Berlins. „Ein noch deprimierenderer Anblick als die kaputten Gebäude war die lange, nicht endende Prozession alter Männer, Frauen und Kinder, die ziellos umherwanderten“, erinnerte sich Truman.

Am 17. Juli konnte es endlich losgehen: Gegen Mittag Höflichkeitsbesuch Stalins im „Little White House“ bei Truman mit anschließendem Lunch, am Nachmittag erste Plenarsitzung im Schloss: Stalin in seiner weißen Uniform als Generalissimus und „Held der Sowjetunion“, Churchill als Oberst der 4./7. Dragoon Guards, wie er sie 1898 in Khartum, bei der Niederschlagung des Mahdi-Aufstandes, getragen hatte, Truman im Zweireiher mit Krawatte statt der gewohnten Fliege.

Für die Verhandlungen hatte man sich rasch auf eine Struktur geeinigt: vormittags Gespräche der Außenminister und Fachleute, nachmittags Plenum, abends wurde gefeiert. Stalin hatte für das von ihm ausgerichtete Galadiner aus Moskau Pianisten und Geigerinnen einfliegen lassen. Churchill revanchierte sich später mit der Kapelle der Royal Air Force.

Der Rote Stern vom Cecilienhof. Seit 1945 ziert diese floristische Erinnerung an die Potsdamer Konferenz den Innenhof von Schloss Cecilienhof.
Der Rote Stern vom Cecilienhof. Seit 1945 ziert diese floristische Erinnerung an die Potsdamer Konferenz den Innenhof von Schloss Cecilienhof.

© picture-alliance / dpa

Zwei Ereignisse ragen aus diesen zwei Wochen von Potsdam heraus. Am 25. Juli reisten Churchill und sein Stellvertreter Attlee aus Potsdam wegen der britischen Parlamentswahlen nach London, doch nur einer kehrte zurück: Churchill hatte verloren, der neue Premier hieß Attlee, „ein Schaf im Schafspelz“, wie ihn sein Vorgänger heimlich verspottete. Die Briten spielten denn auch im weiteren Verlauf nur noch eine untergeordnete Rolle.

Noch schicksalhafter war ein Ereignis am 16. Juli: In der Wüste von New Mexico war die erste Atombombe gezündet worden. Das veränderte aus Sicht der Amerikaner mit einem Schlag die Kräfteverhältnisse, gab ihnen, so meinten sie, einen entscheidenden Trumpf gegen Stalin in die Hand. Truman informierte ihn darüber beiläufig am 24. Juli, wunderte sich über dessen verhaltene Reaktion: „Der russische Premier zeigte kein besonderes Interesse. Er sagte nur, dass er darüber erfreut sei und hoffe, dass wir guten Gebrauch davon im Kampf gegen die Japaner machen würden.“ Stalin war eben ein guter Schauspieler. Vom Fortschritt der Amerikaner bei der Entwicklung der Atombombe wusste er längst. Und am 29. August 1949 war das Gleichgewicht des Schreckens ohnehin wieder hergestellt, zogen die Russen beim nuklearen Wettrüsten gleich: In Kasachstan zündete die erste sowjetische A-Bombe.

Über Schloss und Konferenz informiert ausführlich das im Shop der Gedenkstätte erhältliche Buch „Schloss Cecilienhof und die Potsdamer Konferenz 1945. Von der Hohenzollernwohnung zur Gedenkstätte“ (Chronos-Verlag, 288 S., 19,95 Euro). Zum selben Thema hat Chronos-Media eine DVD herausgebracht.

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