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Das muss weg. Dieser Neubau ist laut Gerichtsurteil rechtswidrig. Unten sind schon Fenster drin, oben kommen keine mehr hinein. Offen ist, wer zahlen muss.

© Kai-Uwe Heinrich

Streit um Immobilien in Berlin: Neubau muss abgerissen werden

Ein fast fertiger Neubau in Prenzlauer Berg muss abgerissen werden, weil er zu nah an der Grundstücksgrenze steht. Den Nachbarn wurde es zu eng.

Von Fatina Keilani

Der Innenhof der Häuser Kollwitzstraße 40 und 42 könnte sehr schön sein. Nur ist von ihm kaum etwas übrig, seit im Hof ein riesiger Anbau entstanden ist, der die Wohnungen aus dem Vorderhaus um einen Seitenflügel ergänzen sollte. Um diesen gestuften Sechsgeschosser wurde jahrenlang gestritten – jetzt muss der fast fertige Bau wieder abgerissen werden, weil Abstände nicht eingehalten wurden. Das ist das Ende eines jahrelangen Streits, der im Mai vor dem Bundesverwaltungsgericht endete.

Das Bezirksamt wurde selbst vom Ausgang der Gerichtsverfahren überrascht – und hat den Bauherrn nun brieflich an seine Pflicht zum Abriss erinnert. „Der Bauherr hat jetzt erst mal die Möglichkeit, sich zu äußern“, sagt der zuständige Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne). „Wenn er schreibt, er richtet bis Oktober die Baustelle ein, kann man darüber reden. Wenn er sich gar nicht rührt, ist das schlecht.“ Dann müsse die nächste Eskalationsstufe gezündet werden. Den Verdacht, dass hier womöglich eine Behörde versagt habe und der Bauherr jetzt Schadensersatz vom Bezirk verlangen könne, wies Kirchner vehement zurück.

Widerspruch der Nachbarn

Was war geschehen? Der Bezirk hatte dem Bauherrn im November 2009 die Baugenehmigung für einen Seitenflügel nebst Quergebäude erteilt, der „im rückwärtigen Teil ihres Grundstücks an die bestehende Blockrandbebauung anschließt und an der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Klägerin belegen ist“, wie das Bundesverwaltungsgericht schreibt. Die Eigentümergemeinschaft begann zu bauen. Nachbarn war die Baugenehmigung nicht zugestellt worden; sie bekamen von dem Bau erst im Mai 2010 etwas mit und legten Widerspruch ein. Der Bezirk teilte den Bauherren am 1. Juni 2010 mit, dass sie ab jetzt auf eigenes Risiko bauen.

Der Bau begann am 30. Juni. Die Widersprüche wurden zu Klagen. Die erste Instanz gewannen die Bauherren im April 2012, die zweite verloren sie im März 2013. Bis dahin war eine ganze Menge Geld verbaut. Der Versuch, die Entscheidung vor dem Bundesverwaltungsgericht anzugreifen, scheiterte im Mai 2014. Die Leipziger Richter maßen der Sache nicht die behauptete grundsätzliche Bedeutung zu; das Urteil aus Berlin wurde rechtskräftig.

Bauphase als Riesenbelastung

Fabian Grobe hat im Haus Nummer 40 sein Büro. „Ich traute meinen Augen nicht, dass direkt vor meinem eigenen Balkon so ein Ding hochgezogen wurde“, sagte er dem Tagesspiegel. „Hier war schöner alter Efeu an den Mauern, der kam als erstes weg, und im Hof der ,Meierei‘ konnte man sitzen, das wurde alles plattgemacht.“ Die Bauphase sei eine Riesenbelastung gewesen, und der Abriss werde auch eine, aber wenn der Bau dann weg sei, werde es viel schöner sein. Grobe gehörte nicht zu den Klägern.

Die „Meierei“ ist ein kleines, alpenländisch orientiertes Lokal im Haus Nummer 42. Die Mitarbeiter behaupten, der Anbau störe sie nicht, im Garten sei ohnehin wenig Sonne. Denkbar wäre allerdings auch, dass sie das aus Angst vor ihrem Vermieter sagen. Denn der Garten eignet sich gut zum Kaffee trinken und hätte auch bis zum frühen Nachmittag Sonne, wenn der Anbau verschwände.

Der Innenhof des ganzen Geviertes zwischen Kollwitz-, Belforter und Diedenhofer Straße bildet laut Gericht eine planmäßig angelegte Grünanlage. Sehr schön zu sehen ist das bei Google auf dem Satellitenbild. Wie es jetzt weitergeht, bleibt abzuwarten: Die Eigentümergemeinschaft und ihr rechtlicher Vertreter Ernst Henning waren am Mittwoch nicht zu erreichen. Dirk Stallmann, der die Klage eingereicht hatte, auch nicht.

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