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Straßenbahn-Ausbau: Die Tram weckt Träume

Straßenbahnen sollen künftig bis in den Westen rollen - zur Freude der Bahnhersteller aus der Region. Bisher fährt die BVG mit älteren Zügen aus Prag durch die Stadt, hat aber schon modernen Nachschub bestellt.

Die Bahnhersteller Stadler in Pankow und Bombardier in Hennigsdorf geben sich unpolitisch – eigentlich aber müssten sie den Grünen für die Abgeordnetenhauswahl im September die Daumen drücken. Denn deren Forderungen nach neuen Straßenbahnlinien gehen weiter als der „Stadtentwicklungsplan Verkehr“ des rot-roten Senats: Unter dem Motto „Mehr Tram wagen!“ rollte Spitzenkandidatin Renate Künast in einer Straßenbahn-Attrappe über die Schöneberger Hauptstraße und warb für eine Linie vom Alexanderplatz nach Steglitz. Auch die Moabiter Turmstraße, den Charlottenburger Mierendorffplatz und den Neuköllner Hermannplatz können sich die Grünen als künftige Ziele vorstellen.

Mit einer Gleislänge von rund 190 Kilometern ist das Berliner Straßenbahnnetz eines der weltweit größten. Und zwei bis drei Zuwächse wird es unabhängig von den künftigen politischen Verhältnissen geben: Im Technologiepark Adlershof, wo die Trasse bereits beim Straßenbau vorbereitet worden war, ist ab September eine Verbindung mit dem S-Bahnhof Adlershof und dem Köpenicker Ortskern geplant. In zwei Jahren soll auch die Tram zum Hauptbahnhof fahren – was ursprünglich schon zu dessen Eröffnung 2006 geplant war, aber sich unter anderem wegen Klagen gegen den Umbau der Invalidenstraße verzögert hatte. Jetzt laufen vorbereitende Leitungsarbeiten der Wasserbetriebe. Aus der Schublade geholt hat die Verkehrsverwaltung außerdem die Straßenbahnverlängerung vom Alex über den Potsdamer Platz bis zum Kulturforum. Die Weiterführung bis Steglitz sei bisher nicht geplant, aber „langfristig“ denkbar, sagt Sprecher Mathias Gille.

Der Hersteller Stadler in Pankow sieht wachsende Chancen, zu den Lieferanten zu zählen. „Es wäre großartig, auch in unserer Heimatstadt vertreten zu sein“, sagt Sprecherin Katrin Block. Bisher benutzt die BVG ältere Tatra-Bahnen aus Prag, Niederflurbahnen der ehemaligen Firma Adtranz und vier Testzüge von Bombardier. Dafür ist Stadler unter anderem mit Bergen in Norwegen, Bochum, Graz, Mainz, München und Potsdam im Geschäft. „Variobahnen“ für Brandenburgs Landeshauptstadt werden gerade im Stadler-Werk in Velten getestet. „Wir sind stolz auf den Auftrag aus Potsdam, im Herbst beginnt der Fahrgastbetrieb“, sagt Block. Die Stadt hat zehn Niederflurzüge für je 2,5 Millionen Euro bestellt und eine Option auf weitere neun vereinbart.

Vor elf Jahren hatte die schweizerische Stadler Rail Group das von der Schließung bedrohte Adtranz-Werk in Pankow mit 200 Mitarbeitern übernommen. Jetzt gibt es 635 Beschäftigte, im kommenden Jahr sollen es bis zu 1000 werden. Soeben übernahm Stadler das Reinickendorfer Werk eines Zulieferers, der Großfahrzeuge lackiert, und im Juli will man in Hohenschönhausen eine zusätzliche Endmontage für S- und Regionalbahnen eröffnen.

Bei Bombardier haben die Berliner Verkehrsbetriebe 99 Niederflurbahnen des Typs „Flexity Berlin“ bestellt und Kosten von bis zu 305,3 Millionen Euro einkalkuliert. Um alle alten Straßenbahnen wie geplant bis 2017 abzulösen, dürfte die BVG 33 weitere Züge benötigen, was den Auftragswert auf knapp 400 Millionen Euro steigern würde. Mögliche neue Linien sind dabei noch nicht berücksichtigt.

„Straßenbahnen erleben seit Jahren eine spürbare Renaissance, die sich fortsetzen wird“, sagt Bombardier-Sprecherin Katrin Scharl. Allein in den vorigen eineinhalb Jahren habe die deutsche Tochter des kanadischen Konzerns Aufträge aus Halle, Kassel, Leipzig und der Rhein-Neckar-Region erhalten. Hinzu kämen Bestellungen aus Polen, Großbritannien, der Schweiz und der Türkei. Außerdem will Strausberg 2014 zwei neue Straßenbahnen kaufen und erwägt, diese kostensparend im Rahmen des BVG-Auftrags mitproduzieren zu lassen. Die Bahnen entstehen im Rohbau in Bautzen, in Hennigsdorf folgen Endmontage und Inbetriebnahme. Mehr als 2200 Beschäftigte hat das Werk, das auch Fernbahnzüge und Loks in alle Welt liefert. Im September wurde das 100. Jubiläum des Standorts gefeiert.

Ein Tram-Ausbau im Westen Berlins wäre „ein sehr interessantes Vorhaben und eine nachhaltige Lösung für den Nahverkehr“, sagt Bombardier-Sprecherin Scharl, die im Flexity-Modell natürlich das „ideale Fahrzeug für diese Strecken“ sieht. Zudem weist sie auf technische Fortschritte wie die „induktive Stromübertragung“ hin, die über bestimmte Distanzen den Betrieb ohne Oberleitung ermöglicht. Bei zusätzlichem Bedarf an Straßenbahnen bekäme Bombardier jedoch nicht automatisch den Zuschlag: Wie üblich müsste sich die Firma in einer europaweiten Ausschreibung durchsetzen – nicht zuletzt gegen den Mitbewerber Stadler.

BVG-Sprecherin Petra Reetz lobt Straßenbahnlinien – vor allem die mit separater Trasse und Vorrangschaltungen an Ampeln – als „umweltfreundliches Verkehrsmittel“, das „viele Menschen in wenig Zeit befördern kann“. So pendelten täglich etwa 100 000 Menschen per Tram zwischen Hellersdorf und der östlichen Innenstadt: „Busse würden die Straßen verstopfen.“ Und die geplante Verbindung zwischen Alexander- und Potsdamer Platz werde auch Anrainern einen wirtschaftlichen Nutzen bringen. Unter Geschäftsleuten, so Reetz, werde diese Verlängerung längst „sehr gewünscht“.

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