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Noch wird großflächig gearbeitet im Handwerkerdorf in der Ratiborstraße in Kreuzberg. Doch der Raum wird für neue Projekte benötigt.

© Robert Klages

Berlin-Kreuzberg: Handwerkerdorf fürchtet Verdrängung durch Flüchtlingsunterkünfte

Ein Co-Working-Space für Handwerker in Kreuzberg. Auch eine Kita und ein Bauwagenplatz befinden sich auf dem Gewerbegelände. Nun sollen dort auch Geflüchtete heimisch werden.

Es ist eine Art Handwerkerdorf am Rande von Kreuzberg: Auf dem Areal Ratiborstraße 14 e.V. teilen sich Tischler, Bootsbauer, Kfz-Mechaniker & Co. die Arbeitsplätze. Das kennt man sonst von den „Co-Working-Spaces“ des Start-up-Universums. „Laptoparbeiter brauchen ja nur zwei Quadratmeter Arbeitsfläche“, sagt Moritz Metz, der hier seine Werkstatt hat. „Wir brauchen halt mehr Platz.“ Die PC-Arbeiter seien im Bezirk gerne gesehen, meint er. Kleingewerbe hingegen seien vom Aussterben bedroht und in Kreuzberg nicht willkommen. Das zeige auch der aktuelle Konflikt um das Areal Ratiborstraße: Auf dem Gelände soll nun Wohnraum geschaffen werden, überwiegend für Geflüchtete.

Die Gewerbetreibenden fürchten ihre Verdrängung. Ebenso die dort ansässige Waldorf-Kita, ein Wagenplatz und ein deutsch-türkischer Biergarten. Metz betont, dass man Geflüchtete ausdrücklich auf den Flächen begrüße. „Doch der Wohnraum darf unsere Existenz nicht verdrängen.“ Durchaus könne man sich ein Zusammenleben vorstellen, die neuen Bewohner könnten auch in die Arbeitsprozesse und die Gemeinschaft eingebunden werden im Rahmen eines alternativen, gemeinwohlorientierten Konzeptes.

Die Gewerbetreibenden selbst wohnen nicht auf dem Gelände, das Dorf ist gerade mal zwei Jahre alt, ihre Werkstätten haben sie selbst gebaut. Gerne würden sie weiter ausbauen und zusätzliche Gewerbetreibende anlocken. Doch dafür fehlt die Planungssicherheit. „Bei Wohnbebauung würde es hier eng“, sagt Björn Boes, der hier einen Metallbau mit neun Angestellten betreibt. Zudem sei es auf dem Areal tagsüber ja sehr laut.

Insgesamt 80 Arbeitsplätze gibt es, auf dem Wagenplatz wohnen zudem 13 Erwachsene und ein Kind. Außerdem eine Waschbärenfamilie, Füchse, Eichhörnchen und Mauerbienen. Freie Flächen gibt es zwar noch, aber die waren eigentlich für die Erweiterung des Handwerkbedarfs vorgesehen. „Wenn ich hier wegmüsste, sehe ich keine Zukunft für mich in Berlin“, sagt Schlosser Johannes Reicher.

Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Die Grünen) sagt: „Niemand soll verdrängt werden.“ Es solle ein „integratives Standortkonzept“ zur Diskussion gestellt werden. Eine Mischung aus Gewerbe, Kultur und Sozialem. Der Kita-Spielplatz bleibe erhalten. Allerdings sagt Schmidt auch: „Das Areal muss neu geordnet werden.“

Neue Unterkünfte in Friedrichshain im Gespräch

Hintergrund: Der Bezirk muss zwei neue Unterkünfte für Geflüchtete bauen und sollte Standortvorschläge machen. Friedrichshain-Kreuzberg will jedoch nicht zwei große Wohneinheiten, sondern drei Kleinere ausarbeiten. In der Ratiborstraße soll also ein Mix geschaffen werden. Ins Spiel gebracht wurde der Standort vom Bezirksamtskollegium im August 2017.

Zudem wird derzeit der Bau einer „Modularen Unterkunft für Flüchtlinge“ (MUF) im Bereich Palisadenstraße/ Koppenstraße/ Karl-Marx-Allee/ Lebuser Straße in Friedrichshain geprüft. Am Standort Franz-Künstler-Straße/ Alte Jakobstraße sind bereits 160 temporären Unterkünfte für drei Jahre eröffnet worden, so Schmidt. Der Baustadtrat will sich das Areal „Ratiborstraße“ auch bald selber anschauen. Bisher waren weder er noch Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Die Grünen) dort.

Eine Luftbildaufnahme im Sommer von der Ratiborstrasse 14a-c.
Eine Luftbildaufnahme im Sommer von der Ratiborstrasse 14a-c.

© privat

Die Gewerbetreibenden und Bauwagenbewohner erwarten den Besuch sehnlichst. Herrmann hatte gesagt, sie bevorzuge gemischte Wohnquartiere mit bezahlbarem Wohnraum für alle sowie „individuelle Bauten, die sich in das Umfeld einfügen.“ Es könnte ein Vorzeigeprojekt der integrativen Entwicklung und des Zusammenlebens zwischen Gewerbe, Bauwagen, Kita und Geflüchteten werden. Und, so zeigt sich Schmidt optimistisch: Es könnte die Arbeitsplätze der Gewerbetreibenden sichern – über die bisherige Laufzeit ihres Vertrages mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben bis 2020 hinaus.

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