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Moscheenrundfahrt: Der unsichtbare Islam

Der Senat lud zur Moscheenrundfahrt, um die Vielfalt muslimischen Lebens in Berlin zu zeigen. Doch im Mittelpunkt des Interesses stand das Schweizer Minarett-Verbot.

Eigentlich wollte Berlins Integrationsbeauftragter Günter Piening eine Moscheerundfahrt für Medienvertreter machen, um endlich einmal ohne Anlass und öffentliche Unruhe über Muslime in Berlin zu informieren. Doch daraus wurde nichts. Die Aufklärungsreise am Dienstag, bei der rund 60 internationale Journalisten auf Senatskosten zu Moscheevereinen quer durch die Stadt gefahren wurden, kommt zu einem Zeitpunkt, in dem die Öffentlichkeit nichts mehr beschäftigt als das Verhältnis der Europäer zum Islam.

Ein Zufall, der die Veranstaltung dominiert: Das Votum der Schweizer Bürger von Sonntag, den Bau von Minaretten zu verbieten, ist eine frisch aufklaffende Wunde im Bewusstsein vieler Muslime, die sich einmal mehr ausgegrenzt fühlen. Auch in Berlin. Das wurde bereits beim ersten Stopp der ungewöhnlichen Reisegruppe deutlich: „Im Namen der Freiheit nimmt man uns Muslimen die Freiheit, Gebetsstätten zu errichten“, sagt Faical Salhi im Interkulturellen Zentrum für Dialog und Bildung in Wedding. „Das ist nicht das Europa des 21. Jahrhunderts, wie ich es mir vorstelle.“ Viele Muslime seien verängstigt, sie spürten immer häufiger Ablehnung. Eine Journalistin fragt: „Wie wichtig sind Minarette, um Ihren Glauben auszuleben?“ Salhi antwortet knapp und befremdet: „Das ist doch nicht die Frage, um die es hier geht.“

Moscheevorsitzender Salhi stammt aus Tunesien, stellt sich als Berliner mit deutschem Pass vor und spricht einwandfrei Deutsch – wie überhaupt die meisten Islamvertreter an diesem Tag. Seine internationale Gemeinde steht auf dem Programm, um zu zeigen, dass Berliner Muslime längst nicht nur aus der Türkei oder dem Nahen Osten stammen. Hier kommen Gläubige aus aller Welt zusammen, gepredigt wird deshalb auf Deutsch oder mit Simultanübersetzung.

Das Interkulturelle Zentrum ist eine klassische Hinterhofmoschee in ehemaligen Lagerhallen. Klassisch, denn zählt man Spandau hinzu, haben gerade einmal sechs Moscheegemeinden in Berlin eine repräsentative Moschee, mit insgesamt zwölf Minaretten. Die große Mehrzahl der rund 80 islamischen Gebetsstätten ist für Außenstehende unsichtbar. Die Erklärung: Fast alle Moscheen entstanden in den Gastarbeiterjahren spontan und unorganisiert, indem einige Muslime einen Verein gründeten und in einer Privatwohnung oder einem Keller beteten. Als ihre Zahl in den 80er Jahren stieg, suchten sie größere Räume und wurden überwiegend in Hinterhöfen und Industriezentren fündig. Im Vorderhaus waren sie meist nicht willkommen.

Wohl auch deshalb nennen sich die meisten Moscheen „Kultur-“ oder „Bildungszentrum“. Tatsächlich bieten inzwischen fast alle Räume für Islamlehre, aber auch Sprach- und EDV-Kurse oder Rechtsberatung. Viele Fortbildungen finden in Kooperation mit den Bezirken statt, die Moscheen neuerdings als Integrationszentren entdeckt haben. So verhält es sich auch beim zweiten Stopp, in der Haci-Bayram-Moschee der Islamischen Föderation, Koloniestraße 128.

Sie ist eine der ältesten Berliner Moscheegemeinden und wird überwiegend von Türkischstämmigen besucht. Ihren Mitgliedern ist die Debatte über das Schweizer Minarettverbot durchaus bekannt, nicht zuletzt durch türkische Fernsehsender und Zeitungen, die dagegen Stimmung machen: „Jetzt folgt das Burka-Verbot“ schreibt ausgerechnet die kemalistische „Milliyet“ empört. Und die „Hürriyet“ will gar eine „mittelalterliche Einstellung“ gegen Muslime in der Schweiz erkennen.

Im Seminarraum ist die Integrationsbeauftragte von Mitte, Maryam Stibenz, zugegen, die über erfolgreiche „Tandemprojekte“ der türkischen Gemeinde mit der AWO schwärmt. Doch auch diesmal kommen die Anwesenden um die Minarett-Debatte nicht herum: „Wir glauben nicht, dass so ein Verbot auch für Berlin denkbar wäre“, sagt Burhan Kesici aus dem Vorstand der Föderation auf Nachfrage. „Aber heftige Debatten über Moscheegemeinden gab es auch in Berlin und sie schaden der Integration“, so Kesici.

Seine Beobachtung: Während die zweite Generation der Einwanderer durchaus integriert sei, wendeten sich viele Jüngere von der deutschen Gesellschaft ab, weil sie sich nicht angenommen fühlten. Allerdings, sagt Kesici mit Blick zum Integrationsbauftragten Piening, „die deutsche Politik reagiert sehr gut auf Anti-Moscheedebatten“, die Unterstützung sei immer groß. Mit dem Fazit: In Berlin ging jeder Moscheenstreit zugunsten der Religionsfreiheit der Muslime aus.

Islamfeindlichkeit verspüren die Mitglieder im „Islamischen Kulturzentrum der Bosniaken“ dagegen eher selten. Sie haben andere Sorgen: Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien haben den Moscheeverein in der Kreuzberger Adalbertstraße vor 20 Jahren gegründet und widmen sich kriegstraumatisierten Muslimen. „Als Europäer erleben wir kaum Ausgrenzungen wie unsere südländischen Brüder und Schwestern“, sagt Meho Travljanin – ein Gemeindemitglied mit blauen Augen und hellbraunen Haaren. Es klingt wie ein solidarisches Bedauern.

Ferda Ataman

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