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15 Jahre "Gutes Wedding schlechtes Wedding" – da kann auch mal das SEK wegen einer Bierbestellung anrücken.

© Kitty Kleist-Heinrich

„Gutes Wedding, Schlechtes Wedding“: Die Guten, die Schlechten und die Hässlichen

Das Prime Time Theater feiert 15 Jahre „Gutes Wedding, Schlechtes Wedding“. Die Jubiläumsepisode hat das Publikum geschrieben.

Um einen kleinen Tisch herum wird sich laut beschwert und mit Papier gefuchtelt. Fünf Schauspieler sind genervt von ihren langweiligen Texten. „Ja man, ich darf wieder Onkel Ahmed aus der Patsche helfen - üff, wir haben es alle verstanden“, sagt Noémi Dabrowski in Kostümierung und Slang ihrer Figur Esra, während Kollege Ryan Wichert sich darüber ärgert, als Quotenbrite, wieder über den Brexit reden zu müssen. Dann die Rettung: Neue Skripte für die Darsteller der Weddinger Theatersitcom „Gutes Wedding, Schlechtes Wedding“ (GWSW) – geschrieben von ihrem Publikum. „This is better than Shakespeare“, das ist besser als Shakespeare, bricht es aus Ryan heraus.

Der kurze Videoclip auf der Homepage des Prime Time Theaters zur Jubiläumsfolge von GWSW lässt erahnen, das wird ein besonders wilder Ritt durch das Berliner Klischeekarussell. Schon im Foyer des Theaters springen einen die ersten Persiflagen an. „Ich mach dich platt“, steht auf einem der vielen großformatigen Poster, die hier an den Wänden hängen. Der Spruch gehört zur Figur Hülyia Ölgür. Rotes Sweatshirt, Plauze, goldenes Kopftuch. Grimmig schaut sie, die Fäuste sind geballt. Schräg gegenüber hängt ein Bild von Torben, der als dynamischer Jungunternehmer aus Mitte bezeichnet wird. „Geil, ihr seid mein Team“, steht da.

Zum Glück handelt es sich bei diesen Bildern um ausgedachte Rollen. Die überspitzen Pöbeleien und das unerträgliche Optimierungsgequatsche sollen das Publikum im Prime Time Theater zum Lachen bringen.

Alle sechs Wochen gibt es eine neue Folge

Mehr als 200 fiktive Charaktere aus dem Berliner Alltagsleben haben in den letzten 15 Jahren in über 150 Uraufführungen hier auf der Bühne gestanden. Angefangen hat alles 2004 in der Freienwalder Straße, in der Oliver Tautorat und seine langjährige Prime-Time-Partnerin Constanze Behrends vor einem überschaubaren Publikum die ersten Folgen GWSW spielten. Ein Jahr darauf zogen sie für vier Jahre in die Osloer Straße, Ecke Prinzenallee. Seit 2009 ist das Theater in der Müllerstraße beheimatet. Aus der ursprünglichen zwei Personen-Show ist mittlerweile ein zwölfköpfiges Ensemble gewachsen, das alle sechs Wochen eine neue Folge präsentiert.

Meistens spielen sie vor vollem Haus, das Theater ist ein Kieztreffpunkt geworden. „Unser Publikum führt auch Regie – je ausgelassener sie lachen und mitmachen, desto mehr überziehen wir“, sagt Regisseurin und Schauspielern Alexandra Marinescu-Lang und meint damit sowohl die Spielart, als auch die Zeit. Ein paar der Fans sind seit Beginn mit dabei, kommen und kommen regelmäßig in großen Gruppen zu den Aufführungen.

Als Überraschung hat das Ensemble ihr Publikum im September 2018 aufgefordert, am Jubiläumsstück mitzuschreiben. Insgesamt wurden 15 Szenen in Zusammenarbeit mit den Hausautoren Philipp Lang und Philipp Lau umgesetzt. „Wir haben 51 Einsendungen bekommen, die so toll waren, dass wir planen, die restlichen in unsere kommenden Produktionen mit einzubauen“, erzählt Alexandra Marinescu-Lang.

Theater für alle

Auch die beiden Töchter der Familie Eispert gehören zu jenen Autorinnen, „Als die möglichen Figurenkonstellationen für die Jubiläumsfolge online waren, haben sich die beiden sofort hingesetzt und angefangen an ihrer Geschichte zu arbeiten“, berichtet die Eltern – beide sind seit Jahren treue Anhänger des Episodenformates und kommen regelmäßig mit ihren Kindern aus Mitte. Dabei herausgekommen ist die Szene „Der Altbier Skandal“, in der etwas mit einer Bierbestellung nicht so läuft wie geplant, es gibt sogar einen SEK-Einsatz. „Das Schönste ist für mich, dass ich hier Menschen getroffen habe, die meinen Humor teilenC, sagt Oliver Tautorat.

Was guckst du? Noémi Dabrowski spielt die prollige Ezra.
Was guckst du? Noémi Dabrowski spielt die prollige Ezra.

© Kitty Kleist-Heinrich

Neben dem Erfolgsschlager „Gutes Wedding, Schlechtes Wedding“ bringt die Truppe auch andere Stücke auf die Bühne, wie Hamlet. Der Prinz kehrt nach dem Tod seine Vaters zurück in das Königreich Wedding, das er nun vor den Gentrifizierern aus Prenzlauer Berg bewahren muss. „Unser großes Ziel ist es, Theater für alle zu machen. Wir möchten diejenigen erreichen, die mit Klassikern weniger anfangen können genau so wie diejenigen, die sie gerne lesen“, erzählt Philipp Lang. Der 31-Jährige ist seit 2013 als Schauspieler am Haus und seit dieser Saison auch Chefautor.

Der Wedding hat sich verändert

Natürlich hat sich der Wedding in den letzten 15 Jahren verändert: Es gibt eine Denn's Biomarktfiliale am Gesundbrunnen und in der Müllerstraße kann man bei Biocompany einkaufen, im Sprengelkiez locken hippe Cafés. Aber nicht nur das Ladenangebot hat sich gewandelt. „Die Entwicklung des Wohnmarktes ist katastrophal", sagt Oliver Tautorat, „viele müssen wegziehen. Aber es kommt auch Initiative aus dem Bezirk, wie die Online-Zeitung 'Weddingweiser'. Es existiert also positiver Widerstand.“

Stoff sollte es somit auch für die nächsten 15 Jahre „Gutes Wedding, Schlechtes Wedding“ noch locker geben, auch neue Projekte sind geplant wie eine Theater-Dramedy. Ernster soll sie sein, aber natürlich nicht ohne Humor, denn der steht auf der Bühne des Prime Time Theaters im Vordergrund – und ist auch für den nicht immer so spaßigen Berliner Alltag unverzichtbar.

Die Jubiläumsfolge ist vom 10. Januar bis zum 17. Februar zu sehen. Prime Time Theater, Müllerstraße 163, Tickets unter: www.primetimetheater.jimdofree.com.

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