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Ausstellung in Potsdam: Glas, Stahl, märkischer Sand

Eine Potsdamer Ausstellung präsentiert bekannte und verkannte Architektur der Moderne in Brandenburg. So manche architektonische Perle rostet unbeachtet vor sich hin.

Das luzide Bauwerk ruft nicht zufällig Mies van der Rohes Neue Nationalgalerie in Berlin ins Gedächtnis, so wie es fotografiert ist und emblematisch das Plakat der Ausstellung schmückt. Das Modell am Eingang freilich zeigt: Es handelt sich um einen kleinen, bescheidenen Pavillon, gleichsam eine Übersetzung einer Kurkonzert-Muschel aus der Belle Epoque in die Architektursprache der Moderne. Das fragile Stahlkonstrukt mit halbrunder Glaskonche, 1932 von Reinhold Mohr als delikater, prototypischer Modellbau der Moderne errichtet, steht in Potsdam auf dem Gelände des ehemaligen Luftschiffhafens am Schwielowsee – und rostet unbeachtet vor sich hin.

Nebenan befindet sich das Regattahaus von 1925, ein wunderbares expressionistisches Ausflugslokal mit turmartigem Aufbau für die Regattaleitung. Es steht ebenfalls leer und sucht einen Käufer. Vielleicht verhilft die Ausstellung den Bauwerken ja zu mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung.

Funde wie diese kann auch der Kenner der Architektur der Weimarer Zeit in der von Nicola Bröcker und Simone Oelker-Czychowski kuratierten Ausstellung „Architektur in Brandenburg von 1919 bis 1933“ machen, die nun im Potsdamer Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte am Neuen Markt zu sehen ist. Freilich lässt sich das politisch indizierte Zeitfenster mit dem architektonischen „Aufbruch in die Moderne“ – so der Titel der Schau – nicht sinnvoll zur Deckung bringen. Die Utopien von Bruno Taut und seinen Gesinnungsgenossen im ersten Teil der Ausstellung haben ihren Ursprung lange vor dem Ersten Weltkrieg. Und viele Bauten reinster Moderne vor allem für Industrie und Infrastruktur entstanden erst nach Hitlers Machtergreifung.

Letztere werden in der Ausstellung in einem „Ausblick“ nachgereicht. Zum Beispiel Herbert Rimpls berühmte Einfliegerhalle der Heinkel-Flugzeugwerke in Oranienburg von 1936/37. Wer weiß schon, dass der Bau die Bombardements überstanden hat und noch existiert? Einsam steht er auf weiter Brache und reichlich heruntergekommen, wie eines der Fotos zeigt, die Markus Hilbig vom gegenwärtigen Zustand der insgesamt 39 präsentierten Objekte gemacht hat.

Große Namen sind in der Ausstellung vertreten, Erich Mendelsohn natürlich (den ausgiebig gefeierten Einsteinturm hat man schon zu oft gesehen, einfach mal weglassen!), Otto Haesler, Mies van der Rohe, Gropius, Taut oder Muthesius. Interessanter sind die eher unbekannten Architekten. Wilhelm Wagner etwa, der 1926 in Neuenhagen dem Rathaus in wirtschaftlich prekären Zeiten zu einem imposanten Turm verhalf, indem er praktischerweise den benötigten Wasserturm ins Rathaus integrierte. Oder Heinrich L. Dietz, der in Caputh ein Wohnhaus als Schiffsmetapher gestaltete. Oder Ernst Ludwig Freud, der 1930 in Geltow eine Villa baute, die man auf den ersten Blick als „Landhaus in Backstein“ Mies van der Rohe zuschreiben würde.

Das Studium der Grundrisse jedoch zeigt, dass Ernst Ludwig Freud sich in Teilen des Bauwerks noch immer an die traditionellen Symmetrieachsen hielt – wie auch Hermann Muthesius zehn Jahre zuvor bei der prächtigen Großfunkstelle Nauen, wie Wilhelm Rave 1926 beim Verwaltungsgebäude des Stahlwerks Brandenburg, oder wie Werner Issel 1928 beim Dieselkraftwerk Cottbus. Dieses langwierige Ringen um die Symmetrie wurde eigentlich erst am Bauhaus endgültig entschieden, zugunsten einer freien, nur der Nutzung (und insgeheim der ästhetischen Wirkung) verpflichteten Baukörperkomposition.

Dass die damals in wenigen Jahren radikal geänderte Architektur auch mit einem neuen Zeit- und Lebensgefühl zusammenging, versuchen die Kuratorinnen der Potsdamer Ausstellung mit zusätzlichen Exponaten zu vermitteln, mit auf die jeweiligen Bauten bezogenen Design- und Ausstattungsstücken sowie mit zeitgenössischen Filmsequenzen. Denn die Schau der Architektenkammer ist Teil der Initiative „Kulturland Brandenburg“, die in diesem Jahr unter dem etwas sperrigen Motto „Licht / Spiel / Haus - Moderne in Film. Kunst. Baukultur“ firmiert. Sie widmet sich insgesamt dem ästhetischen Paradigmenwechsel im 20. Jahrhundert.

Bis 7. August im Potsdamer Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte am Neuen Markt. Di – Do 10 – 17 Uhr, Fr 10 – 19 Uhr, Sa/So und feiertags 10 – 18 Uhr. Infos: www.hbpg.de. Architekturführer: „Architektur in Brandenburg – Bauten der Weimarer Republik“, hg. von Ulrike Laible, Verlag Braun Publishing 2011, 152 Seiten, 236 Abb., 19,90 €.

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