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Hallo, ist hier wer? Die Straße ist schmal, liegt abseits, trägt aber einen tollen Namen.

© Cay Dobberke

Berlin-Marathon: Das Geheimnis der Marathonallee

Durch das Sträßlein in Westend führte der Lauf nie. Warum also der Name? Eine Spurensuche im Jahr 1950

An der Länge der Straße kann es nicht liegen. Rund 500 Meter misst die Marathonallee in Westend zwischen Haus Nr. 1 und Nr. 38 laut Google-Maps. Ja, wenn es 421,95 Meter wären, dann müsste man exakt 50 mal hin- und herlaufen, hätte damit die Marathondistanz absolviert, und der Name würde einleuchten. So aber...
Seit dem 30. März 1950 trägt das Sträßlein den imposanten Namen, und man ist gewillt, dies auf das nahe Olympiagelände und seine Geschichte zurückzuführen, zumal die Marathonallee südlich der Olympischen Straße verläuft, zwischen Reichsstraße und Westendallee oder eben Nr. 1 im Osten und Nr. 38 im Westen. Aber der Marathonlauf von 1936 kam nicht einmal in die Nähe. Und warum hat man dann nicht auch die umliegenden Straßen nach olympischen Disziplinen benannt? Die Bayern-, die Schaumburg-, die Oldenburg- oder die Preußenallee, die alle die ihnen im frühen 20. Jahrhundert zugeteilten Namen behalten durften, nur die Mecklenburgallee musste ihren lassen.

Hatte es etwas mit dem Kalten Krieg zu tun?

Angesichts des Datums der Umbenennung – mitten im Kalten Krieg – erscheint auch ein Akt der Abgrenzung nach Osten denkbar, aber nicht allzu weit entfernt liegt die Thüringerallee, die seit jeher unbehelligt blieb. Also kann es auch daran nicht gelegen haben. Und ohnehin zielte die damalige Politik offiziell auf Wiedervereinigung, nicht auf Zementierung der Teilung – ein Name wie Mecklenburgallee musste hochwillkommen gewesen sein.

War er aber nicht, und die Namen von rund 500 weiteren Straßen in West-Berlin auch nicht. Teilweise dutzendfach gab es Berliner Straßen, Kurfürsten-, Schul- oder Bismarckstraßen – eine Spätfolge der Bildung Groß-Berlins von 1920, als Städte, Dörfer, Gemeinden, zuvor autonom in der Straßenbenennung, zu einer Kommune zusammengeschlossen wurden. Und nun galt plötzlich: Jeder Name bitte nur einmal.

Das wollten die West-Berliner Stadtoberen peu à peu ändern – nicht auf Wunsch der auf Individualität bedachten Anwohner, vielmehr auf Drängen von Post und Polizei. Ein nach West-Berlin abgesandter Brief könnte, so deren Sorge, unversehens in einer ostsektoralen Straße selben Namens landen. Und ein aufgeregter Zeuge eines Unfalls könnte bei der Nennung der Straße, wo sich das Unglück zugetragen hat, womöglich den Namen des Bezirks vergessen, und die Polizei wüsste nicht, wohin sie denn nun ausrücken sollte. Und daher erstellte auch das Charlottenburger Bezirksamt eine Liste zu ändernder Straßennamen. So wurde beispielsweise die Küstriner Straße zur Damaschkestraße und die Mecklenburgallee eben zur Marathonallee – und dies, obwohl es außer der Mecklenburgischen Straße in Wilmersdorf weit und breit keine Straße gab, mit der man sie hätte verwechseln können. Am 15. Februar 1950 stimmten die Bezirksverordneten zu, am 30. März dann wurde die Liste vom damaligen West-Berliner Oberbürgermeister Ernst Reuter – zum Regierender Bürgermeister wurde er einige Monate später – abgesegnet. Das Auswechseln der Straßenschilder führte zu einigen Protesten, aber bei den neuen Namen blieb es doch. Mit der Fortführung der Umbenennungen war es aber bald wieder vorbei. Sie kam, wie man nun befand, schlichtweg zu teuer.

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