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Ausstellung: Berlin - die umgebaute Stadt

Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall zeigt die Ausstellung "Berliner Einsichten" anhand von 73 Projekten, wie sich das Wohnen in Berlin seit der Vereinigung verändert hat - und wagt einen Blick in die Zukunft.

Der Anfang im ersten Stock ist ganz verheißungsvoll: Über einem Stadtmodell mit allen Berliner Bezirken schweben zig Korridortürschlüssel, darunter sind hunderte Klötzchen zu Hochhäusern aufgeschichtet, die den Bestand der Berliner Wohnungsunternehmen anzeigen. Respektable 347 863 Wohneinheiten gehören den einheimischen Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften, insgesamt gibt es fast 1,9 Millionen Wohnungen in Berlin, 87 Prozent davon werden zur Miete bewohnt. „Keine Stadt in Europa bietet eine solche Vielfalt“, sagte gestern Hella Dunger-Löper, Staatssekretärin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, zur Eröffnung der Ausstellung „Berliner Einsichten“. Mit dieser Schau in den unteren Etagen des 14-geschossigen Plattenbaus Spandauer Straße 2 möchten Berlins Wohnungsbaugesellschaften zeigen, was zwanzig Jahre Wohnen in der wiedervereinigten Hauptstadt für sie, vor allem aber für ihre Mieter bedeutet. Die 32 an der Schau beteiligten Wohnungsunternehmen präsentieren hier ihre Sahnestückchen und ihren Stolz. Allein zwischen 1991 und 2000 wurden 150 000 Wohnungen fertiggestellt, die Lücken zwischen Ost und West zu großen Teilen baulich geschlossen. Es wurden 20 Milliarden Euro investiert und modernisiert, was jahrzehntelang auf Erweckung gewartet hatte. Von Stuckdetails, alten Kacheln aus den Resten behutsamer Altbausanierungen bis hin zu Vorher-Nachher-Bildern vom Rückbau zu hoher Häuser in Marzahn oder Hellersdorf zeichnet die Ausstellung nach, wie die Bau- und Sanierungsprogramme in den 20 Jahren seit dem Mauerfall das Gesicht der Wohnsiedlungen und Kieze verändert haben.

Der Mangel an Sachzeugen von einstigem Wohnen zu DDR-Zeiten mit der berühmten „Außentoilette“ eine halbe Treppe tiefer, mit vernarbten Fassaden, mit Gasheizung und Kohleöfen, mit all der Mühsal, einen tropfenden Wasserhahn bei der Kommunalen Wohnungsverwaltung (KWV) repariert zu bekommen – dieser Mangel scheint der Tatsache geschuldet, dass bei Rekonstruktionen manchmal kein Stein mehr auf dem anderen blieb. So wurden gerade ein paar Stuckelemente und eine goldene Hausnummer gerettet, bevor die neue Fassade wie aus dem Ei gepellt den Kiez erleuchtete.

In der Schau werden die Geschichten von 73 Projekten näher beschrieben. Da hängen bunte „Steckbriefe“ von der Decke, Häuser und Plätze baumeln auf festem Karton in Augenhöhe, der Betrachter muss sich mit Fleiß und Geduld durch die Ausstellung lesen, und dabei sind manche Texte so trocken wie eine Schippe Zement. So liest sich die Beschreibung zur erneuerten Wohnanlage von Alfred Messel in der Proskauer Straße mit 99 Wohnungen, die auf der Pariser Weltausstellung 1900 eine Goldmedaille gewann und wo 1993 die Rekonstruktion begann: „Aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung unter KWV-Verwaltung eröffnete die nach der Wende erfolgte Rückübertragung der Wohnanlage die Chance, das architektonische Vermächtnis wieder schrittweise zu rekonstruieren.“

Mancher wird dennoch seine eigene Umgebung wiederfinden und das Einst mit dem Jetzt vergleichen. Und das Morgen? Beispiele zeigen, wie wichtig das Energiesparen wird. Und die Stadt muss sich darauf einstellen, dass in Berlin in zehn Jahren rund 195 000 Menschen leben werden, die 80 Jahre oder älter sind – 43 Prozent mehr als 2007. Neue Herausforderungen warten. Lothar Heinke

„Berliner Einsichten“, Spandauer Str. 2, bis 31. 10., Mo. bis Do. 10–17 Uhr, Fr.–So. 10–20 Uhr, Eintritt frei

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