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Spitzenmäßig anfällig: Brandenburgs besondere Tradition

In kaum einem Bundesland mussten so häufig Minister oder leitende Amtsträger zurücktreten, weil die Staatsanwaltschaft ermittelte.

Von wegen preußische Tugenden. Mit dem redlichen Handeln zum Wohle des Landes taten sich etliche Politiker im neu gegründeten Land Brandenburg schwer. Negative Schlagzeilen machten nicht nur Minister der seit 1990 ununterbrochen regierenden Sozialdemokraten. Auch die von 1999 bis 2009 mitregierende CDU trug mit drei Rücktritten dazu bei, dass Brandenburgs Ruf als Sumpflandschaft der besonderen Art nicht austrocknete. Laxe Sitten, die sich in den wilden Zeiten des Neuanfangs etablierten, mangelhafte Auswahl des Führungspersonals sowie Selbstherrlichkeit trugen zu dem zweifelhaften Ruf bei – Dummheit nicht zu vergessen.

Aktuellster Fall ist der frühere Justizminister Kurt Schelter (CSU), der des Betrugs und der Steuerhinterziehung angeklagt ist. Dieser musste 2002 nach drei Jahren im Amt gehen – damals freilich wegen seiner Belastung durch zweifelhafte Immobiliengeschäfte, die sogar zu einer Pfändung seines Ministergehalts führten und außerdem die Steuerfahndung mobilisierten. Nun aber wird dem 65-jährigen Schelter, einst ein Günstling der CSU-Legende Franz-Josef Strauß, vorgeworfen, er habe nach seinem Rücktritt unrechtmäßig Übergangsgelder kassiert. Rund 100 000 Euro soll der Jurist zu viel kassiert haben, weil er zeitgleich Einkünfte durch andere Tätigkeiten hatte; außerdem rechnet die Staatsanwaltschaft mit hinterzogenen Steuern von 30 000 Euro.

Es sagt einiges aus über die Kontinuität der Brandenburger Verhältnisse, dass über den derzeit wegen des Verdachts des schweren Subventionsbetrugs vor Gericht stehenden Hotelbetreiber und umtriebigen Geschäftsmann Axel Hilpert schon 1993 der erste Behördenchef stürzte. Bauminister Jochen Wolf (SPD) hatte über Hilpert ein sehr preisgünstiges Grundstück ohne Maklergebühren zugeschanzt bekommen – auch um Wohlwollen bei anderen Projekten zu erhalten, mutmaßte die Staatsanwaltschaft. Wolf wurde nach seinem Rücktritt wegen Vorteilsnahme im Amt zu einer Geldstrafe verurteilt. Später machte Wolf noch einmal Schlagzeilen, als er wegen eines geplanten Mordversuchs an der eigenen Ehefrau verurteilt wurde.

Um Grundstücke, Immobilien und Baugenehmigungen ging es auch im Skandal um den Potsdamer Baudezernenten Detlef Kaminski. Der starke Mann der aufstrebenen Preußenmetropole, an dessen Schreibtisch alle Fäden zusammenliefen, hatte 1992 für eine Eigentumswohnung einen Optionsvertrag unterschrieben – weit unter Marktpreis. Im Gegenzug soll Kaminski dafür gesorgt haben, dass eine Bank beim Kauf eines Grundstückes in bester Stadtlage plus Baugenehmigung zum Zuge kam. Der Baustadtrat, auch für die selbstherrliche und undurchsichtige Bauplanung für das jahrelang umstrittene Bahnhofscenter verantwortlich, wurde später wegen Vorteilsnahme im Amt zu 12 000 Mark Geldstrafe verurteilt.

Der hemdsärmelige Agrarminister Edwin Zimmermann (SPD) wiederum fiel durch seinen kreativen Umgang mit Fördermitteln des Landes und der EU auf. Für eine sogenannte Schaubäckerei auf dem Hof seines Bruders machte er eine halbe Million Mark locker. Diese Wildwest-Eskapaden endeten 1997 mit Rücktritt – trotz Zimmermanns nachdrücklicher Beteuerung, da sei alles mit rechten Dingen zugegangen und die Förderung eine Stärkung des ländlichen Raums.

Den Filz der frühen Jahre zu beenden, war Ende der 90er Jahre im Wahlkampf das erklärte Ziel der Brandenburger CDU. Nach der Bildung der SPD-CDU- Regierung musste der CDU-Chef und Innenminister, Jörg Schönbohm, freilich feststellen, dass auch die christdemokratischen Politiker nicht gefeit waren gegen die Versuchungen und Anfechtungen in herausgehobener Position. Als Erster ging Kulturminister Wolfgang Hackel im Oktober 2000 ungeplant von der Fahne. Seine privaten Unternehmensbeteiligungen und Nebentätigkeiten, von denen er nicht lassen wollte, waren nicht mehr in Einklang zu bringen mit seinen Ministerpflichten.

Vier Monate nach dem zweiten CDU-Minister Kurt Schelter erwischte es auch den damaligen CDU-Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß. Ein Großinvestor aus dem arabischen Raum hatte dem klammen Fürniß 2001 einen freundschaftlichen Privatkredit von einer Million US-Dollar gewährt – zinsfrei. Das Geld sei als Gegenleistung dafür geflossen, dass Fürniß sich bei einer geplanten – und später gescheiterten – Chipfabrik bei Frankfurt /Oder für die Investoren starkmachte. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Haushaltsuntreue und Bestechlichkeit wurden aber 2007 eingestellt. Nicht seine vielfach kritisierten politischen Verflechtungen, sondern letztlich seine privaten Kontakte waren beim starken Mann der Landesregierung, Innenminister Rainer Speer (SPD), verantwortlich für den Karriereknick. Der Wegbegleiter und Strippenzieher von Ministerpräsident Matthias Platzeck gab im September 2010 sein Amt auf, nachdem bekannt wurde, dass er jahrelang keinen Unterhalt für ein nichteheliches Kind gezahlt hatte. Die Mutter bezog stattdessen staatliche Unterhaltsleistungen. Verkehrsminister Hartmut Meyer (SPD) schied dagegen unbelastet aus dem Amt – und fiel dann unangenehm auf. In seiner Amtszeit hatte die Bahn AG ohne Ausschreibung einen Milliardenauftrag für Brandenburgs Regionalverkehr erhalten – und wurde anschließend Berater der Bahn.

In die Abteilung Dummheit fiel dagegen der Rücktritt des allgemein geschätzten Bildungsministers Holger Rupprecht im Januar 2011. Er hatte im Skiurlaub ein allradgetriebenes Auto auf seine Tauglichkeit als Dienstwagen getestet – kostenfrei. Es wurde der teuerste Urlaub seines Lebens.

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