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Staatsanwaltschaft in der Kritik: Verdacht bleibt Verdacht

Die Staatsanwaltschaft hat gute Gründe, aus dem ersten Mann im Staat noch nicht den Beschuldigten Christian W. zu machen.

Weniges ist so verdächtig wie ein Verdacht, mal ist er flüchtig, mal drängt er sich auf, vergeht wieder oder bleibt, niemals aber kann man seiner sicher sein, denn dann wäre er – Gewissheit. Wenn Staatsanwälte also „prüfen“, ob ein „Anfangsverdacht“ vorliegt, was tun sie? Sie denken, denn von diesem Wort stammt er ab, der Verdacht. Denken sie schlecht von jemandem, müssen sie handeln, so steht es im Gesetz. Die Ermittler haben dann, um zu entscheiden, ob sie anklagen, „den Sachverhalt zu erforschen“. Dieses Erforschen ermächtigt die Behörden zu allerlei für Betroffene unangenehmen Zugriffen, nicht eingerechnet, dass dieses Verfahren für Prominente, für Politiker, Sportler, Manager, Amts- und Würdenträger ein Pranger sein kann, der Karrieren, Ruf und Leben zerstört.

Es ist also richtig, wenn Staatsanwälte zurückhaltend sind, aus dem ersten Mann im Staat den Beschuldigten Christian W. zu machen. Beim Hauskredit lagen die wesentlichen Fakten noch auf dem Tisch, wurden geprüft und für unverdächtig befunden. Nun wurde ruchbar, dass der frühere Ministerpräsident in dem Unternehmer David Groenewold einen Freund hatte, der dem Land Niedersachsen für die Unterstützung seines Filmgeschäfts sehr dankbar sein durfte, bis hin zu einer Landesbürgschaft in Millionenhöhe. Der Freund öffnete für Wulff und seine Familie öfter mal das Portemonnaie, freilich will dieser manches in bar zurückerstattet haben.

Die Bürger haben ihr Urteil schon gefällt. Bilder von den Protesten vor dem Amtssitz des Bundespräsidenten.

Etwa den Hotelurlaub 2007 auf Sylt. Dorthin machte sich nun Groenewold im Jahr 2012 auf, um eine Kopie seiner Rechnung von damals zu bekommen. Von Vertuschung schrieb die Presse, weil Groenewold das Personal zum Schweigen vergatterte. Er wollte nur gewappnet sein, falls Journalisten dazu etwas wissen wollen, sagt sein Anwalt, der ihm dazu geraten haben will. Eine andere Version wäre: Der Unternehmer hatte Wulff die Reise damals geschenkt, die Belege weggeschmissen und wollte jetzt in Erfahrung bringen, was die Sache gekostet hat, damit Wulff den Betrag nachträglich ausgleichen und der Öffentlichkeit eine plausible und detaillierte Geschichte präsentiert werden kann. Eine telefonische Anfrage wäre zu auffällig gewesen. Also lieber die Geschichte mit den Kopien.

War es so? Wäre es strafbar? Man kann sich einiges dazu denken, doch reicht es irgendwann nicht mehr. Dann muss man erforschen. Nun kommt hinzu, dass Groenewold seinem Gefährten auch noch ein Firmenhandy überließ, ein paar Monate vor der Bürgschaft. Es geht darum, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Legen die Staatsanwälte zu früh los, riskieren sie das Vertrauen in den Präsidenten. Ermitteln sie zu spät oder gar nicht, riskieren sie das Vertrauen der Bürger in die Strafverfolgung. Dann kann es so aussehen, als erhalte Wulff neben all seinen privaten nun auch eine amtliche Vorzugsbehandlung. Es wäre definitiv eine zu viel.

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