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Durchblick. Der 1. Mai blieb weitgehend friedlich in Kreuzberg. Das Feiern stand im Mittelpunkt.

© Michaek Kappeler/dpa

1. Mai in Berlin: Polizei „zufrieden und glücklich“ nach Großeinsatz

Ein Auto brannte - ansonsten endete der 1. Mai weitgehend friedlich, auch in der Nacht gab es keine größeren Vorfälle mehr. Die Polizeigewerkschaft reagiert mit einer ungewöhnlich begeisterten Pressemitteilung.

Polizeipräsident Klaus Kandt und Innensenator Frank Henkel (CDU) haben sich am Freitag zufrieden über den 1. Mai geäußert. Die Polizei habe "konsequent gehandelt, wo Provokationen versucht wurden", sagte Henkel mit Blick auf die Revolutionäre Demo am Abend. Nur fünf Polizisten wurden so schwer verletzt, dass sie vom Dienst abtreten mussten, einer von ihnen musste wegen eines Schwächeanfalls stationär behandelt werden. 56 weitere Beamte meldeten leichte Verletzungen. Am 1. Mai wurden 65 Menschen festgenommen, deutlich weniger als 2013 (94). Die Taten waren nicht so schwerwiegend, in keinem einzigen Fall ist eine Vorführung beim Haftrichter geplant. "Der 1. Mai verändert sein Gesicht", sagte Henkel. Kandt sagte über die Abenddemo: "Die Gewaltbereiten blieben isoliert." Unter den 19 000 Teilnehmern an der Demo sollen nur wenige hundert Gewaltbereite gewesen sein, sagte Einsatzleiter Michael Krömer am Freitag: "Die Tendenz ist abnehmend."

Auch Polizeigewerkschaft zufrieden

Man sei „zufrieden und glücklich über den ruhigen Verlauf des 1. Mai“, heißt es in einer Erklärung der Gewerkschaft GdP. Das sei „in erster Linie dem hervorragenden polizeilichen Konzept zu verdanken, sprich: der guten Vorbereitung der Polizei und dem weiter praktizierten Prinzip der ‚ausgestreckten Hand‘“, sagte die GdP-Landesbezirksvorsitzende Kerstin Philipp demnach. Zudem werde auch die Absage einer ursprünglich geplanten Demonstration der rechtsextremen NPD „dem ruhigeren Geschehen in die Hände gespielt haben, weil rechte und linke Gruppierungen deshalb – zumindest in Berlin – nicht aufeinandergetroffen sind“. Die Gewerkschaft habe „den Eindruck – oder die Hoffnung – dass in den Köpfen der Krawallmacher ein Umdenken stattgefunden hat, dass sie gemerkt haben, dass Gewalt keine Lösung sein kann“. Der SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß erklärte:

„Ich bin froh über den friedlichen 1. Mai in diesem Jahr. Vor einigen Wochen hätte angesichts der damaligen Situation am Oranienplatz kaum jemand gedacht, dass das in diesem Jahr möglich sein wird." Auch Politiker der CDU und der Grünen äußerten sich zufrieden.

Brandanschlag auf Sicherheitsfirma

In der Nacht zu Freitag brannte es auf dem Gelände einer Wert- und Geldtransportfirma in Hellersdorf. Mehrere Anwohner bemerkten kurz vor 4 Uhr einen Feuerschein, der aus Richtung des Cottbusser Platzes kam, und alarmierten Feuerwehr und Polizei. Die Brandbekämpfer löschten das Feuer auf dem umzäunten Areal, das von Unbekannten offenbar an Papiercontainern an einer Laderampe entzündet wurde und auf sieben davor abgestellte Firmenfahrzeuge sowie die Außenwand des Gebäudes übergegriffen hatte. Verletzt wurde niemand. Da eine politische Tatmotivation wahrscheinlich ist, hat der Polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt die Ermittlungen wegen Brandstiftung übernommen. Ein Selbstbezichtigungsschreiben lag bis Freitagnachmittag nicht vor. Im vergangenen Jahr hatten Linksextremisten in der Nacht nach dem 1. Mai Kabel bei der S-Bahn zerschnitten und damit den Betrieb lahm gelegt. In einem Bekennerschreiben war dies als "praktische Verlängerung des 1. Mai" bezeichnet worden.

Autonome kritisieren Polizeiübergriffe

Die Berliner Autonomen sprachen von 25 000 Teilnehmern auf der Demo. Die Gruppe Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin (ARAB) kritisierte, dass "es immer wieder heftige Polizeiangriffe auf den Demonstrationzug" gegeben habe. "Nach Ende der Demonstration ging die Polizei mit massiver Gewalt gegen abziehende Demonstrationsteilnehmer_innen im U-Bahnhof Hallesches Tor vor und setzte am völlig ueberfüllten Gleis Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Auch am Kottbuser Tor, auf der Gitschiner Strasse und am Blücherplatz kam es im Anschluss an die Demo zu Polizeiübergriffen", heißt es in der Stellungnahme, die im Internet veröffentlich wurde.

Ein abgebranntes Auto in Kreuzberg

Auch anderen Einschätzungen zufolge ist der 1. Mai in Kreuzberg weitgehend friedlich über die Bühne gegangen. Es gab während der beiden Demonstrationen der linken Szene am Abend zwar einige Situationen, in denen die Lage zu kippen schien, auch war die Stimmung teilweise sehr aggressiv. Zu einem größeren Gewaltausbruch, wie er in früheren Jahren zum 1. Mai schon traditionell gewesen war, kam es aber nach Angaben der Polizei nicht. Auch in den Nachtstunden nach dem Maifeiertag blieb es weitgehend ruhig. Ein brennendes Auto meldete die Polizeipressestelle am Freitagmorgen: In der Kreuzberger Enckestraße wurde gegen 2.40 Uhr morgens ein VW Polo älteren Baujahrs angesteckt. Der Wagen wurde von der Polizei gelöscht, jetzt wird wegen Brandstiftung ermittelt. Erkenntnisse, dass die Brandstiftung in Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen vom Abend steht, hat die Polizei allerdings nach eigenen Angaben nicht. Es werde davon ausgegangen, dass die Tat keinen politischen Hintergrund hat, sagte eine Polizeisprecherin.

19 000 Menschen bei der Demo

Überraschend war am Nachmittag und am Abend der Grad der Mobilisierung, der der linksradikalen Szene gelungen ist. Die Veranstalter der „Revolutionären 1. Mai Demonstration“, die vom Lausitzer Platz zur SPD-Bundeszentrale an der Wilhelmstraße zog, hatten sich 15 000 Teilnehmer erhofft, die Polizei ging von 10 000 Personen aus. Es wurden dann aber sogar 19 000 Menschen.

Die Polizei wurde förmlich überrannt

Der friedliche Tag schien zum ersten Mal kurz nach 17 Uhr umzuschlagen, als rund 200 Personen zu einer unangemeldeten Demonstration – auch dies gehört zum 1.-Mai-Ritual – vom Mariannenplatz quer durchs Myfest aufbrachen, um zur „Revolutionären Demo“ zu kommen. Plötzlich waren es aber um die 1000 Personen, Mitglieder des Schwarzen Blocks, die die überraschte Polizei förmlich überrannten. Deren Reaktion kam kurz danach am Kottbusser Tor – nicht länger begegnete sie den Autonomen „versammlungsfreundlich“: Mit großer Energie wurden den Demonstranten das Haupttranparent weggerissen und gegen Vermummte vorgegangen, was die Stimmung spürbar erhitzte.

Ein Punk lief über mehrere Autos

Die Revolutionäre 1. Mai Demo hatte gegen 18.30 Uhr am Lausitzer Platz begonnen, unter erstaunlich hoher Beteiligung von Schaulustigen. Offenbar ist die Veranstaltung auch zu einer Art Touristenmagnet geworden, teilweise war auf den Bürgersteigen entlang der Demo-Route kaum noch ein Durchkommen. Kurz nach dem Start wurde schon der erste Demonstrant von der Polizei aus dem Zug geholt: Ein Punk, der über mehrere Autos gelaufen war. Die Stimmung hob das nicht gerade.

Die Veranstalter hatten an die Spitze des Zuges eine Gruppe von Gewerkschafter aus Griechenland und teilweise auch Spanien gesetzt – eine Internationalisierung der Kolonne, zugleich aber auch eine Taktik, um die gewaltbereiten Autonomen auszubremsen. Dennoch kam es zwischendurch immer wieder zu Flaschen- und Böllerwürfen, gegen die die Polizei aber nicht einschritt. Anders als in früheren Jahren, als Böllerwürfe oft zu einer Initialzündung für das Losstürmen des Schwarzen Blocks wurden, verpufften die Knaller diesmal ohne Effekt.

"Ganz Berlin hasst die Polizei"

Es blieb bei der aggressiven, mal sich hochschaukelnden, mal abkühlenden Stimmung, beim Skandieren von Parolen wie „Ganz Berlin hasst die Polizei“, bei vergeblichen Versuchen der Autonomen, sich an die Spitze vorzudrängen, und vereinzelten Festnahmen. Die Veranstalter zeigten sich gegen 21 Uhr vom Verlauf der Demo noch „im Großen und Ganzen nicht unzufrieden“, wie ihr Sprecher Michael Prütz dem Tagesspiegel sagte. „Es ist nicht mein Eindruck, dass sich die Beamten – bis auf wenige Ausnahmen – unverhältnismäßig verhielten.“ Und die Flaschenwürfe? „Das ist das Übliche. Es gibt immer ein paar Betrunkene.“

Gegen 21.20 Uhr hatte der Zug den Endpunkt erreicht, doch nach der Abschlusskundgebung spitzte sich die Situation noch einmal zu. Im U-Bahnhof Hallesches Tor kam es zu einem Polizeieinsatz mit Pfefferspray und Schlagstock. Der U-Bahnverkehr zwischen Gleisdreick und Warschauer Straße wurde unterbrochen, der gesamte Bahnhof geräumt. Anlass war nach Auskunft der Polizei das Auslösen der Notbremse in dem eingefahrenen Zug. Auch seien Demonstrationsteilnehmer ins Gleisbett gesprungen. Der Sprecher der Veranstalter nahm daher seine zunächst positive Einschätzung des Einsatzes zurück. Die Polizei habe mehrfach versucht, die internationalistische Spitze zu attackieren. Am späten Abend bis gegen 2 Uhr früh gab es am Kottbusser Tor noch ein paar Flaschenwürfe auf die Polizei, danach beruhigte sich die Lage.

Lesen Sie hier noch einmal alle Ereignisse vom 1. Mai in unserem Blog chronologisch nach.

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