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Ein Aktivist steht auf einem Hausdach und hält am Rande der Demonstration Bengalische Feuer in die Höhe.

© Britta Pedersen/dpa

Walpurgisnacht in Berlin: Antikapitalisten demonstrieren mit reichlich Folklore

Bengalos, Parolen, aber keine Flaschenwürfe: Mehr als 2000 Demonstranten ziehen unter dem Motto "Widerständig und solidarisch im Alltag" durch den Wedding.

2012 zog die Walpurgisnacht in den Wedding. Seitdem ist es friedlich geblieben, auch 2018. Etwa 3000 Menschen zogen am Montagabend durch den Wedding, die Polizei zählte gut 2000, die Veranstalter schätzten 4000. Vom U-Bahnhof Seestraße zogen sie unter dem Motto „Widerständig und solidarisch im Alltag“ kreuz und quer durch den Bezirk zum U-Bahnhof Osloer Straße. Es gab keine Festnahmen, keine Zwischenfälle.

Die Zeit der Straßenschlachten in der Walpurgisnacht ist also vorbei. Früher galt die Nacht zum 1. Mai als Aufwärmtraining für militante Autonome, es gab schwere Krawalle am Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg, von besoffenen Punks am Boxhagener Platz in Friedrichshain oder im Mauerpark.

Die Walpurgisnacht 2018 war brav, auch wenn es vom Lautsprecherwagen gewohnt laut und kämpferisch klang, „Der Wedding bleibt rot“ oder „Bullen, verpisst euch aus unserer Demo“. Das Gute dabei: Nach dieser Radikalrhetorik flogen keine Flaschen, keine einzige in diesem Jahr. Im vergangenen Jahr war es genau eine gewesen.

Unter den Teilnehmern waren nach Einschätzung der Polizei denn auch kaum militante Autonome, die interne Zählung ergab nicht einmal zehn der Kategorie „rot“ (gewaltsuchend) und etwa 50 der Kategorie „gelb“ (gewaltgeneigt). Am  Ziel an der Osloer Straße wurden die Demonstranten vom „Lauti“, das ist der Szene-Jargon für den Lautsprecherwagen, so verabschiedet: „Geht früh ins Bett, morgen wird ein langer Tag.“ Das ist linke Folklore, ebenso wie die Bengalos, die auf einigen Weddinger Dächern brannten, als unten die Demo vorbeizog.

Wehende Flaggen statt fliegende Flaschen

Die Polizei hatte in diesem Jahr andere Probleme, nicht fliegende  Flaschen, sondern wehende Flaggen. Wie auch für den 1. Mai angekündigt, waren im Zug viele Symbole der verbotenen kurdischen PKK zu sehen. Die linksextremistische Szene will den Kurden-Konflikt in der Türkei ausnutzen, die deutsche Polizei zu provozieren mit dem Zeigen verbotener Symbole. Kalkül: die Demo eskalieren zu lassen. Doch die Weddinger Teilnehmer hielten sich, bis auf einen, an die – schwierige – deutsche Gesetzeslage. Lediglich ein junger Kurde skandierte „PKK“ und schwenkte seine Öcalan-Fahne. Gegen ihn ermittelt die Polizei.

In einem waren sich Beobachter mit Demo-Sprecher Martin Steinburg einig: Nach sieben Jahren könnte auch die Polizei mal anerkennen, dass der Krawall Vergangenheit ist – und etwas weniger als 1700 Beamte in den Wedding schicken.

Denn 2019 wird es ganz sicher eine Neuauflage der  Demo geben, das Thema der Walpurgis-Demo ist aktueller denn je: Wer mit offenen Augen durch den Kiez lief, sah sehr viele Baugerüste an den Häusern. Überall wird saniert, auch in kleinen Seitenstraßen, wo Jahrzehnte nur der Putz bröckelte.

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