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Ku'dammbühnen: Biedermann und blondes Gift

Wenn alte Männer zu sehr lieben: Eva-Maria Grein und Walter Plathe stehen als Tingeltangelstar Lola und Professor Unrat in „Der blaue Engel“ auf der Bühne

Wo ist bloß der olle Garderobenhaken? Walter Plathe steht im Theater am Kurfürstendamm auf der Drehbühne und tastet mit Mantel und Hut in der Hand die Pappwand entlang. Nichts zu finden. Da hat die Requisite doch wieder geschlampt. „Och, Kinder, wo isser denn nu?“, fragt Plathe runter ins Parkett. Regisseur Klaus Gendries schaltet sich ein, kurzer Bühnenwirrwarr, dann ist der Haken da und Plathes Figur, der Professor Immanuel Rath, wird endlich seine Garderobe los. „Das ham wa aba nu dreimal sagen müssen“, brummelt Plathe noch gemütlich, aber schon unwirsch zu Eva-Maria Grein von Friedl rüber, die die fesche Lola vom Tingeltangel spielt. Kleinigkeiten sind wichtig. Plathe will, dass alles stimmt.

Und was Plathe will, geht los. Vor kurzem erst das Erfolgsstück „Zille“, jetzt die Inszenierung von Peter Turrinis 2009 rausgekommener Bühnenfassung des legendären „Blauen Engels“. Walter Plathe ist mit Stücken wie „Ein eingebildeter Kranker“, „Kohlenpaul“, „Schweijk“ und „Kaiser vom Alexanderplatz“ das Zugpferd der Ku’dammbühnen. Außerdem hat sich der Zuschauerliebling erst im DDR-Fernsehen und dann in 16 Jahren als ZDF-Landarzt eine Fangemeinde erspielt, die weit über das Berliner Scheunenviertel, wo er in der Ackerstraße aufwuchs, und Kappeln an der Schlei, wo Dr. Ulrich Teschner praktizierte, hinausreicht. Was ihn am „Blauen Engel“ nach dem Roman „Professor Unrat“ von Heinrich Mann und dem ersten deutschen Tonfilm von Josef von Sternberg, der Marlene Dietrich zum Weltstar machte, interessiert? „Die Gefahr der Liebe überhaupt. Dass etwas Ungeahntes in einem geweckt wird, wofür man bereit ist, alles bedingungslos über Bord zu werfen.“ Das sei genauso zeitlos wie die gesellschaftliche Doppelmoral, oder die Frage, ob man sein privates Glück über das der Gesellschaft stellen darf, findet Plathe. Und natürlich ist die tragische Figur des sittenstrengen wilhelminischen Gymnasialprofessors, der an seiner Liebe zur geächteten Lotter-Lola zerbricht, eine dieser reizvollen Charakterrollen, für die der inzwischen 61 Jahre alte Absolvent der Schauspielschule Ernst Busch seine Fernsehengagements runtergefahren hat.

Die Lola hat er sich mit dem Regisseur selbst ausgesucht. Eva-Maria Grein stehen Strapse, Zylinder und Federboa ausgezeichnet und Friedrich Hollaenders böse Lieder gehen der Musical-Darstellerin glatt über die Lippen. „Der Walter ist mein Mentor“, erzählt sie. Der habe ihr vor ein paar Jahren frisch von der Schauspielschule weg eine kleine Rolle im „Schwejk“ besorgt. Seitdem hat sie mehrfach an den Ku’dammbühnen gespielt.

Im Gegensatz zu Plathe, der den Film „Der blaue Engel“ mit Emil Jannings in der Hauptrolle vor 25 Jahren zuletzt gesehen hat, schaute sie sich Marlene Dietrich als Lola wieder und wieder an. Eine eher verunsichernde Sache. „Bis Walter gesagt hat: hör’ auf mit dem Scheiß.“ Da fand sie dann doch noch ihre eigene Lola. Und die wäre? „Kein Opfer, kein armes Hascherl, auch keine kalt berechnende Femme fatale“, sondern eher eine lebenstüchtige Person mit einer großen Sehnsucht nach dem bürgerlichem Glück. Was ist ihre Moral von der Geschicht’? „Heirate, wen du willst, aber sieh’ zu, dass du deinen Job nicht verlierst“, sagt Grein und lacht ihre dreckige Lola-Lache.

Gerade sind dem zum Clown abgestiegenen, so massigen wie zartfühlendem Professor bei der Probe noch Eier auf dem Kopf zerschellt. Nun ascht Walter Plathe in eine seltsame Klemmkugel. Die bringt er sich immer selbst mit. Rituale vor der Vorstellung seien sein Tick, sagt er. „Ich betrete die Garderobe eine Stunde vorher, kontrolliere meine Requisiten und darf dabei nicht gestört werden.“ Plathe will halt, dass alles stimmt.

Theater am Kurfürstendamm, Voraufführungen 2.–5. März, Premiere 6. März, bis 15. Mai, Karten ab 13 Euro. Theaterkasse unter Telefon 29021-521.

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