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Kaum hier, schon wieder weg. Kardinal Woelki hat sich mit seinem Einsatz für Flüchtlinge und seinem bescheidenen Auftreten viele Sympathien bei den Berlinern erworben. Katholiken werfen ihm allerdings auch Engstirnigkeit und Rückwärtsgewandtheit vor.

© AFP

Kardinal Rainer Maria Woelki verlässt Berlin: Ein Wink des Schicksals

Der Wechsel von Kardinal Rainer Maria Woelki aus Berlin nach Köln löst nicht nur Bedauern in Berlin aus. Ob Bistumsreform oder Umbau der St. Hedwig-Kathedrale – seine Kritiker hoffen auf einen Nachfolger, der offener für Vorschläge ist.

Nun steht es fest: Kardinal Rainer Maria Woelki wird Erzbischof von Köln. Das hat Papst Franziskus am Freitag um 12 Uhr in Rom bekannt gegeben. Zur gleichen Zeit dankte der Kölner Dompropst Norbert Feldhoff in einem Gottesdienst im Kölner Dom Franziskus für seine Entscheidung. Woelki sei ja in Köln kein Unbekannter.

Er sei sich der großen Ehre bewusst, sagte Woelki über seine Ernennung. Er gehe dennoch „schweren Herzens“ weg, weil ihm die Berliner Katholiken „ans Herz gewachsen sind“. „Berlin ist mir zur zweiten Heimat geworden.“ Am 7. September soll er in Berlin verabschiedet, am 20. September in sein Amt in Köln eingeführt werden.

Der 57-Jährige beerbt Kardinal Joachim Meisner, der das Kölner Erzbistum 25 Jahre mit eiserner Hand geleitet hat. Meisner war im Februar mit 80 Jahren in den Ruhestand gegangen. Für Woelki ist der Wechsel nach Köln eine Rückkehr in die Heimat. Er stammt aus Köln-Mühlheim, war zwölf Jahre lang Weihbischof in Köln und enger Vertrauter Meisners. In den drei Jahren in Berlin hat er sich von Meisner und dessen immer noch mächtigen Seilschaften emanzipiert. Die Rückkehr an den Rhein dürfte also nicht nur die reine Freude werden.

„Wir haben ihn als verschlossen, engstirnig und auf seiner Meinung beharrend erlebt“

In seiner kurzen Berliner Zeit hat Woelki gewaltige Vorhaben angestoßen. Im Rahmen des Umstrukturierungsprozesses „Wo Glauben Raum gewinnt“ sollen sich die gut 100 Gemeinden im Erzbistum grundlegend neu aufstellen und die „Kirchturmmentalität“ aufbrechen. Bis 2020 soll sie sich zu 30 Großpfarreien zusammenschließen. Langfristig soll es nur noch in zentralen Kirchen sonntags Messen geben. Viele Gläubige fürchten den Verlust von Nähe und Gemeinschaft und haben 3000 Unterschriften gegen die Pläne gesammelt. Viele haben das Gefühl, im Ordinariat und beim Kardinal auf taube Ohre zu stoßen. Etliche sind deshalb erleichtert, dass Woelki geht.

„Wir haben ihn als verschlossen, engstirnig und auf seiner Meinung beharrend erlebt“, sagte Walter Plümpe von der Gemeinde Heilige Familie in Prenzlauer Berg. Er habe Woelki als „geradlinig“ erlebt, sagt Diözesanratschef Wolfgang Klose, der oberste Vertreter der Katholiken im Erzbistum. Auch als einer, der bereit sei, seine Positionen zu verändern. Es sei aber nicht leicht, ihn dazu zu bewegen. Es sei schade, dass Woelki jetzt gehe, da die Kärrnerarbeit bei den von ihm angestoßenen Projekten beginne.

Bei Ostberliner Katholiken hat sich Woelki mit seinen Plänen für den Umbau der St. Hedwigs-Kathedrale unbeliebt gemacht. Sie werfen ihm vor, sich selbstherrlich über die Einwände von Denkmalschützern hinweg gesetzt zu haben. Auch stießen sich viele daran, dass er bei der Auslobung des Architekturwettbewerbs abwertend von einem „Loch“ in der Mitte der Kathedrale sprach und kein Hehl daraus machte, dass er die Bodenöffnung lieber heute als morgen schließen würde.

Am Freitag ernannte Woelki den bisherigen Generalvikar Tobias Przytarski zu seinem Stellvertreter. Przytarski versicherte, dass bei beiden Großprojekten der eingeschlagene Weg weitergegangen werde, auch über die Vakanz des Bischofsstuhls ab dem 7. September hinaus.

Wer könnte Nachfolger werden?

Berliner Politiker bedauerten Woelkis Weggang. Der Wechsel sei ein Verlust für die Bundeshauptstadt, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Er verstand sich auch persönlich mit Woelki gut. „Kardinal Woelki ist zu einem Berliner geworden, der sein Amt glaubwürdig, selbstbewusst, weltgewandt und zeitgemäß wahrnahm“, sagte Wowereit. Für Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) hinterlässt Woelkis Weggang „eine schmerzliche Lücke“. Er habe sehr schnell ein Gespür für die Berliner Besonderheiten entwickelt und sei „ohne Berührungsängste und mit unverkrampfter Würde auf die Menschen zu- gegangen“.

Wer Woelki in Berlin nachfolgen wird, ist nicht bekannt. Laut Kirchenrecht muss das Domkapitel nach dem 7. September innerhalb einer Woche einen Administrator bestimmen, der das Bistum leitet, bis Papst Franziskus den neuen Erzbischof ernennt. Nach dem Tod von Kardinal Georg Sterzinsky war Weihbischof Matthias Heinrich Diözesanadministrator.

Als mögliche Nachfolger werden der Dresdener Bischof Heiner Koch gehandelt, der Essener Bischof und Militärbischof Franz-Josef Overbeck und der Trierer Bischof Stephan Ackermann. Bei einer Bischofswahl erstellen zunächst das Domkapitel, der Nuntius und die römische Bischofskongregation Listen mit ihren Favoriten. Daraus wählt der Papst drei Kandidaten aus – er kann aber auch die Wünsche des Domkapitels ignorieren und seine eigenen Wunschkandidaten auf die Liste setzen – wie es offenbar jetzt in Köln passiert ist. Aus der päpstlichen Dreier-Liste wählt schließlich das Domkapitel den neuen Spitzenmann aus. Die Berliner Katholiken wollen in den Auswahlprozess einbezogen werden, betonte Diözesanratsvorsitzender Wolfgang Klose. Darum hatten auch die Kölner Katholiken gebeten – vergeblich.

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