zum Hauptinhalt

Hinter den Kulissen: So wohnt der Papst in Neukölln

In der Nuntiatur, der Botschaft des Vatikans, wird Papst Benedict bei seinem Berlin-Besuch übernachten. Ein Rundgang durch das Gebäude zeigt: Der Kirchenstaat mag es transparent.

Petrus ist omnipräsent in der Nuntiatur. Gleich im Eingangsbereich grüßt er den Besucher mit dem Schlüssel in der Hand und weit aufgerissenen Augen. Auf dem Sockel daneben leistet ihm der Apostel Paulus Gesellschaft. Wenn der Papst am 22. September in das Gebäude in der Neuköllner Lilienthalstraße einzieht, wird er von vertrauten Motiven umgeben sein. Blumengestecke schmücken den schmalen Flur, der in den großen Empfangsraum führt. Vier Paderborner Ordensschwestern leben hier, und eine von ihnen, die normalerweise für die Buchhaltung zuständig ist, hat auch mal Landschaftsgärtnerei studiert und offensichtlich ein Talent für Gestecke. Bevor man in den Raum kommt, führt eine Treppe hinauf in den Arbeits- und Wohntrakt.

Alles ist auf die Vertikale gerichtet in diesem Gebäude, die Fenster reichen in jedem Raum vom Boden bis zur Decke. Die Glaswand im Empfangsraum erlaubt eine spektakuläre Sicht auf die größte katholische Kirche Berlins. Die Nordseite der St.-Johannes-Basilika mit 1000 Sitz- und 2000 Stehplätzen grenzt direkt an die Südseite der Botschaft des Vatikan, und über einer Eingangstür der Kirche grüßt wieder einmal Petrus mit dem Schlüssel in der Hand. Eine Bronzeplastik zeigt auch den außergewöhnlichen Gast selbst, Benedikt XVI., Papst Pius XI. ist wiederholt zu sehen und natürlich Pius XII. Er spielt eine besondere Rolle, weil er der erste Nuntius in Berlin war, bis er 1929 zum Kardinalstaatssekretär aufstieg. 1939 wurde er Papst.

Der erste Blick bei der Ankunft fällt auf eine Skulptur, die draußen auf dem Rasen steht und bei der Expo 2000 Teil des vatikanischen Pavillons war. „Die Kirche erklärt den Menschen die Gründe ihrer Hoffnung“ ist das Thema der Skulptur. Wenn man nah herantritt, sieht man fein eingearbeitet das älteste Christusbild der Welt, die Emmausszene links, und rechts die Szene, in der Jesus erklärt, dass der Sabbat für die Menschen da ist und nicht umgekehrt, die Kreuzigung und oben Maria Himmelfahrt.

Der Eingang zum Botschaftsgebäude fügt sich fast unauffällig zwischen die Fensterstränge ein, die von hellgrauen Granitsteinen eingefasst sind. Hier ist auch die Vorfahrt, an der die Limousine des Papstes ankommen wird. Wann genau er eintrifft, ist im Haus noch nicht bekannt. Es gibt zwei Dienstwagen für das Haus, einen Mercedes für offizielle Fahrten und einen VW Touran.

Mit 17 Mitarbeitern ist die Botschaft des Vatikan bescheiden besetzt. „Wir brauchen schließlich keine Wirtschaftsabteilung und keinen Militärattaché“, sagt Prälat Ewald Nacke, der im Haus für Führungen zuständig ist. Der Tag in der Nuntiatur beginnt um 7 Uhr in der Kapelle mit einer Messe vor dem Arbeitsanfang. Sonntags ist die Messe erst um 8 Uhr. In der Sakristei sind Figürchen aufgestellt, die Namen und Hüte tragen und zeigen, wer die Messe zelebriert. Am Freitagmorgen wird wohl der Papst den Gottesdienst halten in dem kleinen Kreis, der hier immer zusammenkommt. Zwei Türen führen in die Kapelle, die mit einer Orgel ausgestattet ist: durch die Porta Mariana kommt man vom Flur herein, durch die Porta Petrina von der Sakristei heraus. Über der eigentlichen Eingangstür ist das Wappen des Papstes angebracht.

Lesen Sie auf Seite 2, welchen Teil der Nuntiatur Prälat Ewald Nacke vor seinen Gästen verbirgt.

In den großen Buntglasfenstern der Kapelle leuchten je nach Lichteinfall am Tag die Blau- und Grüntöne besonders intensiv und abends die Rottöne. Auf den Fensterbildern kommt auch Petrus wieder vor, diesmal in seiner ganzen menschlichen Fehlbarkeit, einmal, als er Angst hat, im See zu versinken und sich der Kleingläubigkeit schelten lassen muss, und ein zweites Mal in der Gründonnerstagsszene mit dem dreimal krähenden Hahn und seinen Tränen der Reue über die Verleugnung. Das schönste Bild zeigt den Ostermorgen mit dem Morgenrot der Erlösung. Im Altarraum sind die Erzengel und ein Schutzengel zu sehen, dessen verfremdete Flügel einen Weg nach oben weisen. Der Altar ist wie ein Opferblock gestaltet und geschmückt mit kleinen Ölblättern. Der Boden hellt sich auf, je näher man dem Altar kommt. Zu seinen Füßen sind Märtyrerreliquien eingelassen. Zwei Reliquien der Bonner Stadtheiligen Cassius und Florentius symbolisieren den Brückenschlag von Bonn nach Berlin. Außerdem gibt es eine Reliquie des Heiligen Bonifatius, der erster deutscher Bischof war.

Die Küche zeigt der Prälat nicht: „Das ist nicht mein Revier“, sagt er fröhlich. Auch die privaten Räume für die fünf Priester, vier Schwestern und Gäste bleiben privat. Sie seien schlicht eingerichtet, hätten jeweils eigene Nasszellen, sagt der Prälat. Sie seien jedenfalls längst nicht so opulent eingerichtet wie die Zimmer in den Luxushotels, in denen Staatsoberhäupter normalerweise nächtigen. Einen Blick in die privaten Flure kann man aber von unten erhaschen, da viele Wände aus Glas sind in dem lichtdurchfluteten Haus, ein weißer Sessel, ein Schreibtisch sind zu sehen, auch eine Kerze. Der Stil ist gleichzeitig von klösterlicher Schlichtheit geprägt wie aber auch – durch das viele Glas – von einer Feier des Lichts und der Transparenz.

Einmal deutet Nacke aus dem Fenster: „Das ist der Helikopter-Landeplatz“, sagt er. Wo er hindeutet, steht freilich eine große Skulptur des Erzengels Michael. Jetzt lächelt der Prälat, erinnert an die Ängste der Nachbarn vor dem Bau der Nuntiatur. Befürchtet wurde der Lärm, der entsteht, wenn alle zwei Wochen der Papst mit dem Hubschrauber landet. Ruhigere Nachbarn hätten sich die Anwohner wohl kaum wünschen können.

Der Prälat, der früher Pastor war, ist zwar auch immer noch seelsorgerisch tätig. Aber dann vereinbaren die Leute Termine mit ihm. Einmal in der Woche, am Freitagabend, hört er nach der Messe im Seitenschiff der Johannes-Basilika nebenan die Beichte. Sonntags allerdings ist mächtig was los in der Kirche, die nicht zur Nuntiatur gehört, aber den Polen in der Stadt eine spirituelle Heimstatt bietet. Rund 4000 Menschen kommen zu den Gottesdiensten. Mitten in Neukölln.

Zum ersten Mal seit der Eröffnung vor zehn Jahren ist nun ein Papst zu Gast. Natürlich ist das eine Belastungsprobe schon wegen der höchsten Sicherheitsstufe. Dass es Umstände wegen des Essens oder einer aufwendigen Umgestaltung der Zimmer gibt, wird nicht befürchtet. Da ist das Denken hier konsequent katholisch. Die Gäste sind bescheiden, und das sollen sie auch sein. Denn wer bescheiden lebt, weiß Prälat Ewald Nacke, ist in der Regel leistungsfähiger.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false