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Grundsteinlegung: Europacity am Hauptbahnhof startet mit Turmbau

Mit dem 69 Meter hohen, 50 Millionen teuren Total-Hochhaus beginnt die Entwicklung der Europacity. Die Grundsteinlegung heizt die Debatte über die Qualität der Bauten weiter an.

Die gelben Schutzjacken der Bauleiter strahlten um die Wette mit dem eisblauen Winterhimmel. Das Königswetter am Dienstag war wie bestellt für den Regierenden – und Klaus Wowereit nannte es eine der schöneren Pflichten, den Grundstein für die 17 Geschosse und 69 Meter hohe sowie 50 Millionen Euro teure „Tour Total“ zu legen. In gut einem Jahr ziehen 500 Mitarbeiter des französischen Mineralölkonzerns als Hauptmieter in den Neubau gegenüber des Hauptbahnhofes. Dessen Baubeginn ist der Startschuss für die Entwicklung der „Europacity“, ein Quartier, doppelt so groß wie der Potsdamer Platz.

Zehn bis zwölf Jahre wird die Entwicklung der 40 Hektar großen Brache dauern und die Neubauten sollen die „städtebaulichen Wunden schließen“, die die Teilung Berlins auch hier aufgerissen hatte, sagte Vivico-Chef Bernhard Hansen. Die Deutsche Bahn und Vivico besitzen drei Viertel aller Grundstücke in dem Gebiet. Der vom Senat im Mai vor zwei Jahren verabschiedete Masterplan sieht nördlich des Total-Turms auch den Bau eines neuen „Stadthafens“, einer begrünten Uferpromenade sowie von Fußgängerbrücken über dem Schifffahrtskanal vor. Denn Wohnungen, auch am Wasser, sollen auf einem Drittel der mit 610 000 Quadratmetern gewaltigen Grundfläche der Neubauten entstehen. „Nur“ ein Drittel beklagt etwa der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), der wegen der stark steigenden Mieten in Berlin einen höheren Anteil begrüßt hätte. In vier, spätestens fünf Jahren sollen die ersten Wohnungsmieter und -eigentümer einziehen, sagte der Vivico-Chef am Rande der Veranstaltung. Für die Entwickler rechnen sich Bürohäuser besser. Ihnen bleiben 58 Prozent des Bauvolumens in der Europacity vorbehalten, vor allem entlang der Heidestraße, die als Bundesstraße 96 den Verkehr vom Tiergartentunnel aufnimmt. Ins Erdgeschoss der Blöcke sollen Einzelhändler und Gastronomen einziehen (fünf Prozent der Fläche) und Kultureinrichtungen (drei Prozent) – denn auch die Museumsmeile um den Hamburger Bahnhof soll in das Quartier hinein verlängert werden, mit neuen Museen und Galerien. Ein Investor hat sich schon gefunden: Das Schweizer Ingenieurbüro Ernst Basler und Partner errichtet nördlich des Hamburger Bahnhofs ein 4500 Quadratmeter großes Bürohaus, mit Galerien im Erdgeschoss.

Das Total-Hochhaus soll ein „grüner Firmensitz“ werden, versprechen die Entwickler. Der Ressourcenverbrauch sei in Workshops mit 25 Experten so stark verringert worden, dass man sogar ein Öko-Zertifikat erhalten habe. Wer dort einzieht, muss sich von „lieben Gewohnheiten verabschieden“, so die sanfte Drohung von Total-Chef Hans-Christian Gützkow. Neun Projektgruppen des Multis organisieren das „totale Büro“: Vom Papier bis zur Raumaufteilung überlassen sie nichts dem Zufall. Zumal das Projekt „sichtbares Zeichen für ein dauerhaftes Engagement in Deutschland“ wird, so Gützkow. Total beschäftige in Berlin 1000 Mitarbeiter und wolle in Deutschland zu den drei wichtigsten Anbietern von Mineralölprodukten aufsteigen.

„Viele wollen keine Veränderung. Sie haben Pech. Hier tut sich was“, lobte Klaus Wowereit dann noch die Investoren. Dass die biedere Gestalt von manchem Neubau am Hauptbahnhof zum Teil heftige städtebauliche Kontroversen auslöst, sparte er nicht aus: „Herausfordernd“ nannte er so manches Projekt und fügte hinzu: „Manche würden sogar sagen Zweckbauten“. Und Wowereit empfahl den Investoren dringend, in einen „Diskurs mit der Gesellschaft“ einzutreten, der sich nicht auf die Einhaltung der Baugesetzgebung beschränken dürfe.

Welche Qualität das Gebiet am Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal einmal hatte, lässt sich an historischen Plänen von Schinkel und Lenné ablesen. Sie hatten das Gebiet Mitte des 19. Jahrhunderts gestaltet: Mit dem Humboldthafen am südlichen Rand, den der Schifffahrtskanal mit dem Nordhafen verbindet. Heute ist davon nichts mehr zu sehen: Während der Teilung Berlins wurden große Teile des Gebietes als Güter- und Containerbahnhof sowie als Lagerflächen genutzt.

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