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Der Stuck ist weg. Das Haus an der Trelleborger, Ecke Schonensche Straße in Prenzlauer Berg nach der Sanierung.

© promo

Weniger Stuck, Schnörkel und Ornamente: Verschwinden Berlins schöne Häuserfassaden?

Stuck und andere Ornamente an alten Häuserfassaden fallen immer häufiger energetischen Sanierungen zum Opfer. In der Schöneberger Urania diskutierten Experten über die Verschandelung.

Es ist ein Schreckenskabinett schmuckloser Altbauten, die früher mal prächtig aussahen. Wie Stuck und andere Ornamente immer wieder energetischen Sanierungen zum Opfer fallen, zeigt die Berliner Initiative „Gegen die Zerstörung historischer Fassaden durch Wärmedämmung“ mit vielen Fotos im Internet (stadtbildberlin.wordpress.com).

So sah der Jugendstilbau an der Trelleborger Straße früher aus.
So sah der Jugendstilbau an der Trelleborger Straße früher aus.

© promo

Um die Frage, ob Berlin städtebaulich „gesichtslos“ werde, ging es jetzt auch in der Urania in Schöneberg. Das Interesse war ungewöhnlich groß: 300 Gäste kamen zur Podiumsdiskussion, zu der die Architektenkammer Berlin und der Tagesspiegel eingeladen hatten.

„Wegdämmung“ der Fassaden ein schleichender Prozess

„Da rollt was auf uns zu“, sagte der Spandauer Stadtentwicklungsstadtrat Carsten-Michael Röding (CDU) über die Folgen der Energiewende. Er fürchtet besonders um Gründerzeitfassaden.

Mit der bundesweiten Energieeinsparverordnung, deren jüngste Novelle im Mai in Kraft tritt, würden Fassadendämmungen „forciert“, obwohl sie „nicht das Klima retten“ und es bessere Maßnahmen gebe.

Dass schöne alte Fassaden „weggedämmt“ würden, sei ein „schleichender Prozess, der schon kurz nach der Maueröffnung eingesetzt hat“, sagte Gaby Morr, Geschäftsführerin der Beratungsgesellschaft für Stadterneuerung und Modernisierung (BSM) und Sanierungsbeauftragte des Landes Berlin. Sie sieht das Problem weniger bei Gründerzeitbauten, denn hier sei „ein Großteil des Bestandes bereits saniert“. Besonders betroffen dürften künftig eher 50er-Jahre-Bauten sein.

Mit einer neuen Welle energetischer Sanierungen rechnet Stadtrat Carsten-Michael Röding aus Spandau.
Mit einer neuen Welle energetischer Sanierungen rechnet Stadtrat Carsten-Michael Röding aus Spandau.

© Kai-Uwe Heinrich

Morr berichtete, für die Weddinger Müllerstraße habe ihre Gesellschaft ein „energetisches Quartierskonzept“ entwickelt, wonach „gut strukturierte Fassaden erst einmal nicht gedämmt werden“. Man behandele solche Häuser wie Baudenkmäler, auch wenn sie nicht unter Schutz stünden.

Es sei durchaus möglich, „Sanierungsdruck von den Fassaden wegzulenken“ – nämlich durch Dämmungen an Kellerdecken, obersten Geschossen, Brandwänden und Fassaden an der Rückseite. Erfahrungsgemäß gingen große Investoren oft „vernünftiger“ vor als einzelne Bauherren.

 Besonders schöne Fasssaden versucht Sanierungsexpertin Gaby Morr „wie eine Art Baudenkmal“ zu schützen.
Besonders schöne Fasssaden versucht Sanierungsexpertin Gaby Morr „wie eine Art Baudenkmal“ zu schützen.

© Kai-Uwe Heinrich

Energieeinsparungen durch Wärmedämmung meist geringer als deklariert

Diesen Anspruch vertrat Alexander Stöckl von Berlins größter Wohnungsbaugesellschaft Degewo: Man handele auch „im Sinne des Mieters“, im Sanierungsgebiet Marienfelde oder in der Neuköllner Gropiusstadt gebe es regelmäßig Mieterbefragungen oder Veranstaltungen, bei denen Sanierungskonzepte diskutiert werden. „Es wird ständig nachjustiert“; einmal habe man zum Beispiel Hauseingänge noch nach der Fassadensanierung aufgewertet.

Die Frage, ob „uns die Dämmstoffindustrie an der Nase herumführt“, warf der Moderator und leitende Redakteur des Tagesspiegels, Gerd Nowakowski, auf. Schließlich habe das ARD-Magazin „Monitor“ soeben berichtet, dass die typischen Energieeinsparungen nur 20 statt 50 Prozent betrügen. Und sei beim oft verwendeten Styropor nicht auch die Ökobilanz fragwürdig?

„Wir befragen Mieter regelmäßig“: Alexander Stöckl von der Degewo.
„Wir befragen Mieter regelmäßig“: Alexander Stöckl von der Degewo.

© Kai-Uwe Heinrich

Styropor sei „schlicht das billigste Material“, sagte Morr. Aus Rödings Sicht sollte die Herstellung der Dämmstoffe ein „fachliches Thema für die nächste Novellierung“ der Energieeinsparungsverordnung sein. Noch spielten „die Gesamtkosten und die Gesamtenergiebilanz“ keine Rolle in der politischen Diskussion.

Stadtrat Röding widersprach Vorwürfen aus dem Publikum, wonach Bezirksämter die treibende Kraft seien und Hauseigentümer zur Modernisierung verpflichteten. Die Verordnung sieht unter anderem vor, dass energetisch saniert werden muss, wenn mehr als zehn Prozent eines Baus verändert werden.

Röding selbst will Bauherren aber eigentlich gar nicht dazu zwingen. Für den Spandauer ist klar: „Die Diskussion beginnt jetzt erst.“

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