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Soll und Haben. Wenn alle Beteiligten sich Mühe geben, passen doppelt so viele Fahrräder in einen Wagen wie zugelassen.

© Stefan Jacobs

Fahrradmitnahme im Regionalverkehr macht Probleme: Ohne Entgleisungen mit dem Rad in den Zug

Ausflügler des Radfahrerverbandes ADFC haben einen Regionalzug mit Fahrrädern vollgestopft – und dabei nicht nur ein Problem gezeigt, sondern auch die Lösung.

Auch sonnige Tage haben finstere Momente. Ausflügler erleben sie vor allem dann, wenn sie mit ihren Fahrrädern in einen Regionalzug steigen wollen, in dem leider schon viel zu viele Artgenossen die Mehrzweckabteile verstopfen. Wenn dann noch – formal bevorrechtigte – Rollstuhlfahrer und Kinderwagen ins Spiel kommen oder es um sehr akute Fragen geht wie die, wie man am Sonntagabend mit Kindern die 100 Kilometer von der Uckermark nach Hause überbrücken soll, wird es oft richtig ungemütlich.

Je schöner das Wetter, desto größer erfahrungsgemäß der Ärger.

Insofern hatte der Radfahrerverband ADFC den Sonntag perfekt gewählt, um mit einer demonstrativen Aktion auf die oft zu knappen Kapazitäten aufmerksam zu machen: Mehrere Dutzend Radler drängen in Spandau in den Zug der von der Ostdeutschen Eisenbahngesellschaft (Odeg) betriebenen Linie RE2 Richtung Cottbus, der hier um 10.19 Uhr abfahren soll. Er schafft es fast pünktlich – zumal die Odeg gewarnt war und an jeder Tür einen Zugbegleiter postiert hat. Das Personal hilft beim Einsortieren – aber auch am Zoo und Hauptbahnhof steigen weitere Radler zu.

An der Friedrichstraße müssen die ersten zum anderen Ende des Zuges joggen, und am Ostbahnhof rollt der Zug erst um 10.48 Uhr los, also vier Minuten verspätet. Ohne die Hilfe der vielen freundlichen Odeg-Leute wäre es wohl die doppelte Zeit gewesen, so dass der Regionalexpress in Cottbus bis zu drei Anschlusszüge verpasst hätte. Die vier gelb-grünen Doppelstockwagen sind für je zwölf Fahrräder zugelassen, aber durch geschicktes Einfädeln haben die ADFCler (und einige private Ausflügler) locker doppelt so viele untergebracht.

Ein leitender Mitarbeiter des Verkehrsverbundes VBB, der Interesses halber mitfährt, berichtet, dass sogar vorsorglich die Polizei über die Aktion informiert worden sei, um notfalls klare Verhältnisse zu schaffen. Denn tatsächlich befinden sich im Zug auch ein Rollstuhlfahrer, ein Kinderwagen und ein Rollator und ein großer Hund. Aber die Polizisten müssen nicht eingreifen, die Stimmung bleibt gelassen, der Durchgang frei. Das sei der große Unterschied zum Normalfall, klagt eine Frau: Wenn die Züge abends völlig überfüllt von Rostock oder Stralsund kämen, sei höchstens ein Zugbegleiter für vier bis fünf Wagen an Bord. Der habe keine Chance, den Andrang zu koordinieren, so dass man als Zusteiger oft keine Chance habe. „Die Radfahrer werden immer mehr, aber die Kapazitäten stagnieren“, bestätigt ADFC-Tourenleiter Jörg Siewert.

Der VBB-Mann rät, für Ausflüge mit dem Rad von und nach Brandenburg gezielt Züge zu wählen, die nicht an die Ostsee fahren, sondern beispielsweise nach Schwedt. Im Bundesvergleich seien die Berliner schon gut dran, und bald werde es noch besser: Ab 2015 müsse die Deutsche Bahn laut Verkehrsvertrag auf den Linien RE3 und RE5 mit fünf Waggons fahren, von denen einer unten komplett für Fahrräder reserviert sei. „Das gibt’s sonst nirgends in Deutschland.“

In Königs Wusterhausen steigen die meisten aus, um in aller Ruhe zurück nach Berlin zu radeln. Die Stimmung ist wie das Wetter.

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