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Hotel in Rummelsburg: Urlaub im Knast

Einst saßen Honecker und Mielke hier ein. Nun können Touristen im ehemaligen Gefängnis Rummelsburg übernachten.

Wo einst das Honecker-Regime Häftlinge unterbrachte, machen es sich heute Familien bequem. Die meisten der roten Backsteinhäuser des ehemaligen DDR-Gefängnisses Rummelsburg sind renoviert, zwischen ihnen stehen schicke neue Wohnhäuser. Nur der Wachturm ragt noch bedrohlich über die Dächer, an der Hauptstraße steht ein Teil der Gefängnismauer mit Stacheldraht. Schon die Nazis steckten sogenannte Asoziale, Prostituierte und Homosexuelle in die Häuser. Im Haus VIII, der Krankenstation, waren nach der Wende auch die beiden SED-Politiker Erich Honecker und Erich Mielke untergebracht. Nun können hier im Hotel „Das Andere Haus VIII“ Touristen am Rummelsburger See übernachten.

Die Wände sind neu verputzt und farbig gestrichen, die Gitterstäbe sind verschwunden, die Fenster nun doppelt so groß. Die fünf acht Quadratmeter großen Zellen sind dennoch karg eingerichtet: Ein Bett, ein zweites zum Ausziehen, eine kleine Garderobe, Tisch und Stuhl. Mit Wlan, aber ohne Fernseher. Den vermissen die Gäste, doch mit Fernseher sei Innehalten unmöglich, sagt Hotelchefin Huberta Bettex von Schenck. Der einzige Luxus ist das dazugehörige Bad mit Handtuchwärmer. „Die Leute sollen den begrenzten Raum erfahren und überlegen, wie gut es ihnen geht“, sagt von Schenck. Zusammen mit ihrem Mann Matthias Bettex entdeckte die Lehrerin aus Oldenburg das Haus VIII bei einem Berlin-Besuch vor sechs Jahren. Sie kauften und renovierten das Gebäude – noch bevor das Areal zum Wohngebiet Berlin Campus umgebaut wurde. Die ursprünglichen Gebäude wurden 1879 nach den Plänen des Stadtbaurates Hermann Blankenstein im Stil der Schinkelschule als Arresthäuser für Männer errichtet.

Von der Originaleinrichtung ist nichts mehr übrig geblieben. Denn nach fast fünfzehn Jahren Leerstand musste von Schenck nahezu alles erneuern, Wände, Strom, Kanalisation. „Das ganze Areal war total trostlos, eine zerstörte Schönheit“, sagt von Schenck. Nun gibt es keine schweren Eisentüren mehr vor den Zellen, statt Nummern kennzeichnen Farben die Räume. Das Mini-Hotel versprüht Wärme statt Beklemmung. Und ist nun, was die Berliner seit jeher schnippisch behaupteten: ein Seehotel.

Wer hier ohne Vorwissen eincheckt, findet sich nicht in einer aufgezwungenen Lehrstunde über die Geschichte wieder. Das Vergangene ist dezent präsent. Im Flur hängen Informationen zum Gebäude, in Regalen liegen Bücher von Ex-Häftlingen neben DDR-Schulbüchern. Die Gäste sollen die Geschichte reflektieren, den Strafvollzug in der DDR, das Gefühl der Ohnmacht, die entwürdigende Behandlung, sagt von Schenck. Auf DDR-Kitsch verzichtet sie deswegen absichtlich, „das wäre ja Spott“. Die Besucher danken es. Im Gästebuch loben sie, die dunkle Vergangenheit des Orts erfahren zu haben. Kritik fehlt.

Während des Umbaus kamen ehemalige Insassen vorbei, manche weinten, weil sie die Erinnerung übermannte. Erst vor kurzem reiste ein Mann aus Heidelberg an, um seiner Frau die Zelle zu zeigen. Noch einmal darin übernachten habe er aber nicht gewollt, erzählt von Schenck. Vor zwei Jahren dann eröffnete das Hotel in einem Teil des Gebäudes. Die restlichen Räume bewohnt von Schenck mit ihrem Mann und zwei Familien. Für 40 Euro pro Nacht können Besucher den ehemaligen Knast erleben, ein zusätzliches zweites Bett kostet 20 Euro. Das Hotel laufe vor allem im Sommer gut, sagt von Schenck. Das Zimmer, in dem Honecker nach dem Mauerfall eine Nacht in Untersuchungshaft verbrachte, ist für Touristen aber tabu – es liegt ebenso wie Mielkes Zelle im Obergeschoss.Christoph Spangenberg

Das Andere Haus VIII auf dem Berlin Campus, Erich-Müller-Straße 12, Rummelsburg, www.dasanderehaus8.de

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