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Wilfried Mommert erinnert sich: "Als damals 17-jähriger West-Berliner habe ich vor dem Rathaus Schöneberg mit Hunderttausenden mitgejubelt, als Kennedy seine berühmte Rede hielt."

© dpa

Am 26. Juni 1963 live dabei gewesen: Wie unsere Leser den Berlin-Besuch Kennedys erlebten

Zum 50. Mal jährt sich die Rede John F. Kennedys vor dem Schöneberger Rathaus - hier berichten unsere Leser von ihren Erlebnissen und Eindrücken.

Ein Fast weiblicher Händedruck

JFK war der einzige Präsident auf der ganzen Welt überhaupt, der mir die Hand gab. Die ganze Halbstadt fieberte seinem Berlinbesuch entgegen – am meisten ich selbst, denn ich gehörte zur weltweiten Fangemeinde, die dieses neuartige, fast väterlich-freundschaftliche Wesen wie einen neuen Heilsbringer liebte – und bis heute liebt.

Da alle Berliner Schulen schulfrei gegeben hatten, konnte ich mir am Vormittag einen Ort aussuchen, wo ich ihn aus möglichst großer Nähe würde sehen können. Meine Wahl fiel auf die Tegeler Seidelstraße, in die der Fahrzeugkonvoi mit dem Präsidenten nach der Ankündigung in den Zeitungen einbiegen sollte. Aber auch hier warteten schon Hunderte an beiden Rändern der Straße.

Gerade wollte ich schnell noch einmal die Straßenseite wechseln, als ein Polizist mich barsch zurückrief: „Halt! Räumen Sie sofort die Fahrbahn!“ Zögernd und unzufrieden verharrte ich und sah mich suchend um. Da kam auch schon der erste Funkwagen mit Blaulicht und bald danach der Ehrenkordon der „Weißen Mäuse“, die keilförmig dem Präsidentenfahrzeug den Weg freimachten. Doch die neugierige, jubelnde Menschenmenge an beiden Rändern der Straße rückte rasch immer näher zur Straßenmitte, und der Weg für die Fahrzeugkolonne wurde enger und enger. Schon war der offene Wagen, in dem Kennedy stehend seine Fans begrüßte, fast zum Stehen gekommen.

Die begleitenden Beamten zu Fuß und auf den Motorrädern versuchten nach Kräften, den Weg wieder frei zu räumen. Gerade schien ihnen dies zu gelingen, die Motorradeskorte war schon vorüber, als JFK in nur zwei, drei Metern Entfernung langsam an mir vorüberfuhr. Jetzt oder nie, kommandierte mir meine Eingebung. Den Präsidenten fest im Blick, brach ich aus vorderster Linie hervor. Da packte mich eine kräftige Hand des Sicherheitsbeamten, der rechts auf der hinteren Stoßstange des Präsidentenwagens stand, und riss mir fast das Hemd vom Leib. Drei, vier, fünf meiner Hemdknöpfe sprangen vor mir in die Luft. Offenbar hatte entweder ich oder auch der Sicherheitsbeamte laut gerufen, so dass Kennedy sich endlich zu mir umwandte.

Trotz der Gegenwehr des Beamten auf dem Trittbrett streckte ich eine Hand Kennedy entgegen -- und endlich ergriff der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika meine rechte – ein weicher, fast weiblicher Händedruck, während ich ihm tief in seine Augen blickte und mir vor Rührung die Tränen kamen.

Michael H. Winkelmann

Eine Geburt ein Jahr danach

Nach meiner Heirat, als Polin mit einem West-Berliner, im November 1962 musste mein Mann zurück nach West-Berlin. Ich blieb in Polen und bemühte mich um ein legales Visum zur Ausreise. Nach einem halben Jahr durfte mich mein Mann in Berlin begrüßen. Ein Monat später stand ich an der Gotzkowskybrücke und war ganz euphorisch, diesen charismatischen John F. Kennedy zu sehen und ihm zu winken. Nach einem Jahr ist mein Sohn geboren – am 29. Mai, dem Geburtstag von J. F. Kennedy!

Marianna Freiberg

Eine Trauerfeier für Berlin

Als damals 17-jähriger West-Berliner habe ich vor dem Rathaus Schöneberg mit Hunderttausenden mitgejubelt, als Kennedy seine berühmte Rede hielt. Es war ein Taumel, wir eingeschlossenen Insulaner fühlten uns endlich sicher, nachdem uns Kennedy nach dem Mauerbau von 1961 so lange alleingelassen hatte. Heute reibe ich mir die Augen über meine damalige Jubeleuphorie angesichts inzwischen bekannt gewordener Dokumente über die Hintergründe der amerikanischen Haltung zum Mauerbau. „Besser eine Mauer als ein Krieg“, soll Kennedy zu seinen Beratern gesagt haben. Natürlich hatte er recht damit. Aber es sagt sich leicht aus der Entfernung ohne Kenntnis der alltäglichen Realitäten in einer von Stacheldraht und Betonwall geteilten Millionenstadt, in der fast täglich auf flüchtende Menschen geschossen wurde. Nur wenige Monate später stand ich wieder mit hunderttausend Berlinern vor dem Rathaus Schöneberg zur stillen Gedenkfeier für den ermordeten US-Präsidenten. Die Ernüchterung für die Berliner begann.

Wilfried Mommert

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