zum Hauptinhalt

"Kir Royal"-Neuauflage in Berlin: Bully statt Kroetz, Berlin statt München

Heute beginnt Helmut Dietl mit den Dreharbeiten zur Fortsetzung seines 80er-Jahre-Klassikers „Kir Royal“. Wieder gibt es Geld, Intrigen - und einen skrupellosen Klatschreporter. Nur Schauplatz und Hauptdarsteller haben sich geändert.

Als Society-Getränk ist Kir Royal ein wenig aus der Mode gekommen. Statt den Champagner mit Crème de Cassis zu strecken, trinkt man ihn lieber wieder pur. Auch Helmut Dietls legendäre Fernsehserie selben Namens,1986 an sechs Abenden in der ARD, ist den jüngeren Zuschauern, die ihre TV-Sozialisation vor allem Leuten wie Stefan Raab und Dieter Bohlen verdanken, wohl eher ein vager Begriff, wenn überhaupt. Baby Schimmerlos? War das nicht der ...?

Es besteht leider keine Chance mehr, dass sie mit der Figur des Münchner Klatschreporters Schimmerlos, gespielt von Franz Xaver Kroetz, auf Bildschirm oder Leinwand noch einmal aktuell vertraut werden. An diesem Montag starten zwar in Berlin die Dreharbeiten zu Dietls neuem, wieder in der Welt der Klatschkolumnisten angesiedelten Kinofilm, der ursprünglich als eine Art Fortsetzung des alten „Kir Royal“-Stoffes angelegt war. Baby Schimmerlos ist allerdings nicht mehr dabei, wie schon der Titel andeutet: „Zettl“.

Das ist nicht etwa der Name eines noch unbekannten Schickimicki-Gesöffs, sondern der eines zunächst unbedeutenden Chauffeurs, dem es aber durch glückliche Umstände und den völligen, selbst einen wie Schimmerlos in den Schatten stellenden Mangel an Skrupeln gelingt, zum Chefredakteur einer neuen Berliner Online-Publikation aufzusteigen. Gespielt wird der journalistische Wunderknabe Max Zettl von Michael Bully Herbig, der seine süddeutsche Herkunft in der Anlage der Rolle schon sprachlich kaum verheimlichen dürfte, und ohnehin ist die Geschichte teilweise auch in München angesiedelt und wird dort gedreht, mit deutlicher Berliner Dominanz: Etwa zwei Drittel entstehen an der Spree, nur ein Drittel kommt von der Isar.

Es gibt auch einige personelle Transfers aus dem alten Süden: Senta Berger, als Mona Mödlinger einst die Schimmerlos-Geliebte, ist erneut dabei, als Baby-loser Volksmusikstar, ebenso Dieter Hildebrandt als Fotograf Herbie Fried. Neu im Team sind Karoline Herfurth (zu „Kir Royal“-Zeiten gerade mal zwei Jahre alt), Harald Schmidt (als schwäbischer Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, so einen gab es damals noch nicht), Ulrich Tukur, Dagmar Manzel, Hanns Zischler, Gert Voss und als Gast Götz George. Co-Autor an Dietls Seite ist Benjamin von Stuckrad-Barre, gedreht wird bis Mitte Juli, das Ergebnis kann man nächstes Jahr im Kino sehen.

Ursprünglich sollte der Film „Berlin Mitte“ heißen, und wenngleich jetzt wieder ein Klatschreporter im Zentrum steht – es soll doch eher „etwas über Veränderung“ und „keine Fortsetzung von ,Kir Royal’“ werden, wie Dietl vor zwei Jahren der „Süddeutschen Zeitung“ sagte. Damals war geplant, Schimmerlos, den König der alten Münchener Schickeria, in die neue Welt der Berliner Republik zu versetzen und ihm den jungen Straßenreporter Max Zettl gegenüberzustellen. „Ich bin davon ausgegangen, dass Schimmerlos schlechte Erfahrungen in seinem Leben gemacht hat und eine gebrochene Figur ist. Er war zu seiner Zeit sicher ein unmoralischer Mensch, aber er wusste, was Moral war. Seine Unmoral hätte aber keine Chance gegen die Unmoral, die er nun in Berlin vorfindet.“ Zettl sollte der Aktivere, Schimmerlos der Passivere in dem Duo sein. „Die alte und die neue Welt sollen miteinander konfrontiert werden.“

Daraus wird nun nichts. Dietl musste das Drehbuch umschreiben, denn die legendäre Rolle mit einem neuen Schauspieler zu besetzen, kam natürlich nicht in Frage. Kroetz nämlich war mit der Rolle, die er jetzt ausfüllen sollte, ganz und gar nicht zufrieden. Das ursprüngliche Drehbuch befand er, wie er dem Magazin „Focus“ sagte, als „zu lang und zu teuer“ und „leider nicht sehr gut“, die gekürzte Version sei „ein schreckliches Desaster“ und ohnehin Stuckrad-Barre „ein ganz, ganz falscher Co-Autor“. Der neue Schimmerlos besaß für ihn „zu wenig Menschenliebe, zu viel Arroganz und zu wenig Herz“.

Und Michael Graeter, selbst bekannter Klatschkolumnist und nach allgemeiner Meinung das Vorbild zu Baby Schimmerlos, zitierte dessen Darsteller damals mit den Worten, er müsse die Aufgabe übernehmen, „die historische Figur vor ihrem Erzeuger zu schützen“. Eigentlich schade, wo doch sogar die alten „Kir Royal“-Anzüge noch in Gebrauch waren, wie Kroetz 2008 dem Tagesspiegel verraten hatte: „Ich besitze einen Anzug und zwei Mäntel aus dieser Zeit. Die werden regelmäßig getragen und passen tadellos.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false