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Grünes Berlin: Künast als Bürgermeisterin - Gemüsepflicht mit Helm

Harald Martenstein versucht sich vorzustellen, wie es sein wird, wenn die Grünen in Berlin regieren. Künast, Bürgermeisterin, Trittin, Bundeskanzler. Doch gegen Tempo 30 wird es Widerstand geben.

Viele Leute denken so: „Die einzige Partei, über die ich mich in letzter Zeit nicht geärgert habe, sind die Grünen. Also wähle ich die.“ Aber vielleicht ist das ja nur Zufall! In einer Diskussion über dieses Thema sagte jemand: „Wenn die Grünen stärkste Partei sind, kommt Tempo 30.“ Die Grünen wollen, dass auf allen innerstädtischen Straßen außer den Autobahnen Tempo 30 gilt. Ein Stöhnen ging durch die Runde. Obwohl viele Grünwähler im Raum saßen.

Bei einer Volksabstimmung hätte Tempo 30 keine Chance. Du wirst auf dem Weg zu deinem Job, für den du sowieso immer weniger Cash bekommst, weil Steuern, Abgaben, Strompreise, Wasserpreise et cetera pausenlos steigen, viel mehr Zeit brauchen als vorher, ohne Auto geht es vielleicht gar nicht. Der öffentliche Nahverkehr kommt ja, trotz ununterbrochen steigender Staatsetats, immer mehr auf den Hund. Mit Tempo 30 nehmen sie dir, einfach so, ein Quantum Lebenszeit weg. Langsam fahren, Sport treiben, nach dem Sport duschen, täglich einen Apfel essen, das ist übrigens alles gut und vernünftig, kann aber auch ins Zwanghafte kippen. Und etwas Verrückteres als den Wunsch nach einer perfekten Welt gibt es nicht.

Nun kann jederzeit jemand kommen und Statistiken vorlegen. Tempo 30 rettet, laut Statistik, soundso viele Menschenleben im Jahr. Lärmschutz! Abgase! Gewiss, man kann versuchen, alle Gefahren, die es gibt, mithilfe von Vorschriften aus dem Weg zu räumen, man kann den Leuten verbieten, bei Glatteis aus dem Haus zu gehen, das rettet Menschenleben, man kann Schokolade mit 200 Prozent versteuern, man kann eine Joggingpflicht und eine Gemüsepflicht einführen, aber nur mit Helm. Am Ende wird meine statistische Lebenserwartung um zweieinhalb Stunden gestiegen sein, aber wissen Sie, Herr Statistiker, so ein Leben will ich gar nicht haben.

Man wählt eine Partei nicht, weil man alle ihre Forderungen gut findet. Man sucht sich die Partei aus, mit der man die größte Schnittmenge zu haben glaubt, oder deren Personalangebot überzeugt. Mehr ist es nicht. Die Parteien erliegen einem Missverständnis, wenn sie ihr Wahlergebnis mit einer bedingungslosen Handlungsvollmacht verwechseln. Das ist der Kern der Parteienverdrossenheit: Die meisten Leute fühlen sich mündig, sie sind so gut informiert und geistig beweglich, sie wollen keinen amtlich bestellten Vormund. Ich glaube, dass die Grünen, wenn sie wieder regieren, die gleichen Probleme bekommen werden wie die anderen Parteien auch. Gegen Tempo 30 wird es jedenfalls viel Widerstand geben.

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