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Geschenkt!: Givebox-Projekt: Schenken ist das neue Shoppen

Wer alte Sachen los werden und anderen damit auch noch eine Freude machen will, kann das jetzt tun: Eine neue Nachbarschafts-Initiative errichtet Geschenkboxen für Jedermann. Die Initiatoren hoffen auf viele Nachahmer.

Da konnte jemand sein Glück gar nicht fassen: „Ich habe hier ein unabgeschlossenes Fahrrad gefunden. Ist das wirklich umsonst?“ steht da auf einem Zettel an der Pinnwand. Darunter eine krakelige Zeichnung des Fundstücks und eine Telefonnummer – für alle Fälle.

Nachrichten wie diese finden sich fast täglich im Gästebuch oder an der Pinnwand der Givebox in der Steinstraße in Mitte: Die Leute können es nicht fassen, dass ihnen jemand etwas schenken will. Einfach so. Bedingungslos. Anonym. Es sind Nachrichten wie diese, die zeigen, dass die Menschen das Schenken und Beschenkt-werden verlernt haben. Eine Gruppe junger Berliner will es ihnen wieder beibringen - mit der Givebox, einer grob zusammengezimmerten, telefonhäuschengroßen Box, ausgestattet mit einem Regal und einer Kleiderstange. Die erste wurde vor zwei Wochen in der Steinstraße in Mitte errichtet. Die Macher wollen aber nicht genannt werden. Sie wollen das Projekt in den Mittelpunkt rücken, nicht sich selbst.

„Die Idee ist eigentlich nicht neu“, sagt der Erfinder der Givebox bescheiden. „Es ist einfach eine Kombination aus Flohmarkt, Second Hand Laden und der altbewährten Kiste im Hausflur.“

Wer kennt das nicht: Man hat Dinge zu Hause, die man selbst nicht mehr braucht, die aber zu schade sind, um sie wegzuwerfen. Man kann sie in einer Kiste in den Hausflur stellen. Das funktioniert meist recht gut, stört aber die Vermieter und Nachbarn.

Die Givebox ist die elegantere Lösung. Auf den ersten Blick ist zu sehen: Hier steckt viel Liebe drin. Blumen schmücken das Häuschen, ein silberner Herzluftballon schwebt darüber. Die Glitzerschrift auf dem Torbogen verkündet: „Sharing is caring – teilen heißt sich kümmern.“

Auf der Facebook-Seite und im Gästebuch dokumentieren die Givebox-Nutzer, was sie mitgenommen haben, oder was sie der Box hinzufügen. Das sind mal ein paar Äpfel oder ein bayerischer Gamsbarthut, eine CD oder ein Buch, Plüschtiere oder Elektronikartikel.

„Das ist wie Shoppen ohne Bezahlen“, sagt einer der Erbauer. Zuletzt hat er eine Lampionlichterkette hinzugefügt, „natürlich solarbetrieben.“ Schließlich geht es bei der Givebox auch um  Nachhaltigkeit. Die Lichterkette ist aber nicht zu verschenken, die gehört ab sofort zum Inventar der Givebox. „Deshalb hab ich sie festgeschraubt.“ Die Erfahrung lehrt es: „Früher gab es da mal ein Missverständnis mit der Pinnwand.“ Die erste Pinnwand, an der die Givebox-Besucher eigentlich Nachrichten hinterlassen sollten, hatte jemand versehentlich mitgenommen.

Die Macher haben dazu gelernt - zum Beispiel, dass man mit Vandalismus rechnen muss. Die Box stand gerade mal ein paar Tage, da haben Unbekannte eines Nachts die Kleiderstange herausgerissen und den Inhalt der Givebox auf der Straße verstreut. Ein Nachbar entdeckte das Chaos am nächsten Tag, stellte ein Foto davon auf Facebook: „Unfassbar, was es für Idioten gibt“.

Eine Mutter aus der Nachbarschaft nahm sich der verschmutzten Kleider an, wusch sie, brachte sie zurück. Ein bis heute unbekannter Dritter schraubte die Kleiderstange wieder fest. Da staunte der Givebox-Erfinder auch nicht schlecht, als er das nächste Mal nach seiner Box sah – und alles in bester Ordnung vorfand.

Die Nachbarschaft ist zusammengewachsen, seit es die Box gibt, dessen sind sich die Projekt-Initiatoren aus der Steinstraße sicher. Die Geschenkekiste ist schon nach zwei Wochen aus dem Kiez nicht mehr weg zu denken, die Bewohner sind geradezu süchtig danach. Manche kommen täglich vorbei, um zu sehen, was es Neues gibt, zum Beispiel die Kinder von der nahe gelegenen Schule.

Über Facebook sorgt das Projekt international für Aufsehen. Passanten schreiben, wie sie die Box zufällig entdeckt haben, Touristen bedanken sich für das tolle Geschenk. Fans von überallher hinterlassen Nachrichten, wollen mehr über das Projekt wissen und die Idee in ihre Stadt tragen oder ihre Geschenke per Post schicken.

Auch Nachahmer gibt es schon. Eine zweite Box wurde in Wien errichtet, in Berlin wird noch an diesem Wochenende die nächste gebaut, in der Falckensteinstraße in Kreuzberg. Viele wollen mitmachen, aber viele zweifeln auch. Funktioniert das Konzept auch in Problemkiezen? Wie kann man Vandalismus verhindern? Wie verhindern, dass die Box als Mülleimer oder billige Entsorgungsstation missbraucht wird? Wer passt auf die Givebox auf?

Die Macher der ersten Givebox zerstreuen jeden Zweifel. Man muss Vertrauen haben in das Gute im Menschen, sagen sie. Ihr Credo: „Nicht die Givebox muss sich ändern, sondern die Welt!“

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