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Amerikanisches Cheerleader-Team. Bad Nauheim, 1959.

© US Army / Red Grandy (Fotograf)

Alltag von US-Soldaten in Deutschland: Sonderausstellung "Little America" eröffnet im Alliiertenmuseum

Die Fotografien der US Armee zeigen, wie sich US-Soldaten und ihre Angehörigen in der Besatzungszone in Deutschland ein kleines Amerika schufen.

Wer zum Alliiertenmuseum nach Dahlem kommt, wird sofort mit Ikonen des Kalten Kriegs konfrontiert. Im Museumshof steht ein britischer Rosinenbomber, ein französischer Militärzug und das Wartehäuschen der Amerikaner vom Checkpoint Charlie. Außerdem ein Mauerstück samt Wachturm. Mächtige Symbole dafür, dass die Alliierten die Freiheit West-Berlins und der Bundesrepublik garantierten.

In der Sonderausstellung „Little America. Leben in der Militär-Community in Deutschland“, die gerade eröffnet wurde, wird der Fokus aber nicht auf diesen Aspekt gelegt, vielmehr wird mit 200 Fotografien der Alltag in der Besatzungszone veranschaulicht und gezeigt, wie sich Millionen amerikanischer Soldaten und ihre Angehörigen in Deutschland ein kleines Stück Amerika schufen.

Die US Army betrieb einen gewaltigen Aufwand, damit sich die Soldaten, die alle drei Jahre ihren Standort wechseln mussten, während ihrer Zeit hierzulande wie zu Hause fühlten. Anfang der Fünfziger Jahre baute sie circa 800 Siedlungen vor allem in Süddeutschland, aber auch in der Clayallee in Dahlem, wo heute das Alliiertenmuseum steht. Breite Straßen, ein kleiner Vorgarten und die typischen Straßenkreuzer – die Motive lassen an amerikanische Vororte denken. In den Supermärkten und Einkaufszentren erwarteten die Besatzungssoldaten, ihre Frauen und Kinder die amerikanische Warenwelt: Üppig und bunt. Die Bewohner von „Little America“ hatten eigene Friseure, Schuster, Auto-Werkstätten, Schulen und Freizeiteinrichtungen.

Es ist eine heile Welt, die im Alliiertenmuseum zu sehen ist. Gelöste GIs, die mit Kippe in der Hand an einer Coca-Cola-Bude stehen. Ein kleines Volksfest mit Rodeoreiten. Es wird Football gespielt, Cheerleader tanzen eine Pausenchoreografie. In Offizierscasinos finden fröhliche Tanzabende statt. Kinder spielen mit Seifenkisten und Soldaten bestreiten militärische Übungen oder treten im Tauziehen gegeneinander an.

Bilder aus Armeezeitschrift "Stars and Stripes"

Die Bilder stammen von Armeeangehörigen, erzählt die Kuratorin der Schau, Olivia Fuhrich. „Sie sollten den Soldaten zeigen, wie gut sich die Army um sie kümmert.“ Problematisches sei dagegen weitgehend außen vor geblieben. Allerdings werde auf Fotos aus den Achtziger Jahren ein gewisser Verfall der Anlagen sichtbar. Auffällig findet die Kunsthistorikerin auch, dass auf den Fotos kaum Afroamerikaner zu sehen sind, obwohl sie in der amerikanischen Armee durchaus präsent waren. Passten Schwarze in den Augen der Fotografen nicht zur Idylle? „Das wäre eine mögliche Erklärung“, sagt Fuhrich.

Zusammengetragen hat die Bilder, die ursprünglich in Armeezeitschriften wie „Stars and Stripes“ erschienen sind, der Technikhistoriker John Provan. Der heute 61-Jährige ist selbst ein „army brat“ – ein Kind des „Little America“. Sein Vater war als Army-Funker drei Mal je sechs Jahre lang in Deutschland stationiert, seine Mutter war Deutsche. Als nach dem Ende des Kalten Krieges die meisten der einst 570.000 amerikanischen Soldaten aus Deutschland abzogen, befürchtete Provan, dass die Welt seiner Kindheit einfach verschwinden könnte. Wenn wieder eine der Armeesiedlungen schloss, schlich er sich deshalb in Keller und Abstellräume, um Negative und Abzüge zu bergen.

Das Alliiertenmuseum kaufte seine Sammlung, die 220.000 Bilder umfasst, Ende 2016 für eine fünfstellige Summe. Nach einem Jahr Vorbereitungszeit ist nun erstmals eine kleine Auswahl zu sehen. Stolz führt Provan – ein stattlicher Mann mit Stars-and-Stripes-Krawatte und einem ebensolchen Anstecker am Revers – durch die Ausstellung und gibt in seinem amerikanisch-hessischen Singsang eine Anekdote nach der anderen zum Besten.

„Für uns Kinder waren die Militärstützpunkte ein Paradies. Wir lebten mitten in der Pampa, hatten aber alles, was wir brauchten. Die Welt war in Ordnung, wir waren in Ordnung und du konntest dich frei entfalten.“ Er selbst habe sich als Kind vor allem in den Werkstätten und der Bibliothek rumgetrieben. Zu ihrer westdeutschen Umgebung haben sie dagegen kaum Kontakte gehabt, erzählt John Provan.

Dass die Amerikaner mitten in Deutschland relativ isoliert lebten, war gewollt und führte zu einer starken sozialen Kontrolle. Jeder habe jeden gekannt, die Militärpolizei habe in den Wohnblocks patrouilliert. „Wenn da ein Jugendlicher mit einem Joint erwischt wurde, wurde sein Vater am nächsten Tag entlassen und es ging zurück in die Staaten“, sagt Provan.

Zuweilen führte die Behütung durch die US-Armee aber auch zu einem gewissen Übermut. „Als ich in einem Armeezug nach West-Berlin unterwegs war, hörte die Musik im Disko-Wagen plötzlich auf zu spielen. Ich begriff erst nicht, was los war, sah dann aber, wie sich die GIs um mich herum bereitmachten. Sie wollten den sowjetischen Soldaten bei der Einfahrt in den Grenzbahnhof den Allerwertesten zeigen.“

„Little America. Leben in der Militär-Community in Deutschland“. Bis März 2019. Alliiertenmuseum, Clayallee 135. An den Osterfeiertagen 10 – 18 Uhr, sonst Dienstag bis Sonntag 10 – 18 Uhr. Freier Eintritt. Das dauerhaft ausgestellte Flugzeug, das bei der Berliner Luftbrücke eingesetzt wurde, wird Ostersonntag stündlich geöffnet (1 Euro).

Caspar Schwietering

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