zum Hauptinhalt

Hitzewelle: Berlins Klimaanlage funktioniert noch

Die hohen Temperaturen zeigen, was der Stadt in künftigen Sommern blüht – und warum "Kaltluftschneisen" so wichtig sind.

Die Ventilatoren in den Läden sind zwar ausverkauft, aber die natürlichen Windmaschinen funktionieren wie eh und je – und lassen viele Berliner in diesen tropischen Nächten zumindest etwas besser schlafen. Nachdem es am Sonntagnachmittag laut Deutschem Wetterdienst (DWD) sowohl in der Innenstadt als auch in den Außenbezirken rund 38 Grad heiß geworden war, passierte in der Nacht zu Montag Erstaunliches: Während das amtliche Thermometer am Fuße des Fernsehturms nur auf laue 23 Grad sank, wurde es am Kaniswall in Köpenick mit 16 Grad richtig frisch. Beide Messstationen befinden sich in Berlin und an beiden fließt ganz in der Nähe die Spree vorbei. Doch während am Alex die Steine der Großstadt wie Kachelöfen über Nacht die gespeicherte Hitze des Tages abstrahlten, kühlten die Wiesen am südöstlichen Stadtrand gleich nach Sonnenuntergang ab, so dass es dort unterm Sternenhimmel sieben Grad kälter wurde. Damit wird klar, was das spätestens seit der Tempelhof-Planung populäre Stichwort „Kaltluftentstehungsgebiet“ bedeutet. Zugleich zeigt das Wetter der vergangenen Tage, warum bei der Stadtplanung der Klimawandel berücksichtigt werden muss. Denn was wir in den vergangenen Tagen erlebt haben, dürfte nach aktuellem Stand der Forschung in 40 oder 70 Jahren durchaus noch als normales Sommerwetter gelten.

Tagsüber heizt die Sonne in diesen Tagen die ganze Region relativ gleichmäßig auf; nur in sehr schattigen Wäldern oder Parks wie dem Großen Tiergarten bleibt es ein wenig kühler. Nachts steigt über dem Häusermeer die heiße und dadurch leichte Luft auf wie über einem Ofen. Dadurch entsteht ein Sog, der die schwerere Luft aus kühleren Gefilden in die Innenstadt zieht. Große Grünflächen wie Tiergarten oder Tempelhofer Park seien effektive Kaltluftproduzenten, sagt der Meteorologe Wolfgang Bivour vom DWD in Potsdam. Aber der Effekt funktioniere auch noch kleinräumiger, etwa um den Volkspark Friedrichshain. „Selbst ein schon halb verbrannter Rasen ist immer noch deutlich besser als eine versiegelte Fläche“, sagt Bivour. Steine speichern einfach mehr Wärme und brauchen entsprechend länger, um wieder auszukühlen. Auch Wasser hat eine sehr hohe Wärmekapazität – weshalb die Berliner Seen und die Spree mit ihren aktuell rund 25 Grad nachts nicht mehr als natürliche Klimaanlage funktionieren. Die hat ohnehin ihre Grenzen: Die Luftbewegung, die durch die lokalen Temperaturunterschiede entsteht, ist nach Auskunft von Bivour zwar eher ein Hauch als ein Wind, aber sie hilft allemal.

Die Berlin-Karte (siehe Grafik) aus dem Umweltatlas der Stadtentwicklungsverwaltung bestätigt die Befunde. Sie beruht auf einer Vielzahl von Messungen in „mäßig austauscharmen Strahlungsnächten“ – also in solchen Sommernächten, in denen kein Wind die Luft verwirbelt und keine Wolkendecke die Wärmeabstrahlung vom Boden verhindert. Für eine exemplarisch untersuchte Julinacht haben die Fachleute sogar neun Grad Temperaturunterschied zwischen dem kältesten (Dahlem) und dem wärmsten gemessenen Ort (Leibnizstraße) ermittelt.

„Es gibt Luftleitbahnen in die Stadt, die man tunlichst nicht zubauen sollte“, sagt Bivour, der Meteorologe. Diesen Rat will die Verwaltung bei der künftigen Stadtplanung berücksichtigen – und arbeitet an einem „Stadtentwicklungsplan Klima“, der 2012 vorliegen soll. Einen Teil davon steuert der DWD in Form einer kleinräumigen Klimaprognose bei. Klimaforscher rechnen für Berlin im Jahresmittel mit etwa 2,5 Grad Temperaturerhöhung. Ein Grad wärmer als vor 100 Jahren ist es im Schnitt schon jetzt.

Der Allzeit-Hitzerekord vom Sonntag wurde nach Auskunft des Wetterdienstes Meteogroup am Montag nicht mehr überboten: Statt der tags zuvor in Kreuzberg gemessenen 38,7 Grad waren es am Alex nach 16 Uhr „nur“ 37,2 Grad. Am Dienstag soll es – nach Gewittern am Morgen – kühler werden, bevor die Temperaturen wieder über 30 Grad steigen. So extrem heiß wie in den vergangenen Tagen soll es allerdings nicht wieder werden, so dass auch jene wieder besser schlafen können, die kein Fenster zum Park haben oder in den Keller ziehen können.

Die Rettungsstelle im Urban-Krankenhaus hatte gestern auffallend viele Senioren mit Kreislaufproblemen zu versorgen. Sie hätten entweder zu wenig getrunken oder das Falsche, nämlich natriumarmes Mineralwasser, sagte Chefarzt Michael de Ridder. Ganz normaler natriumhaltiger Sprudel sei wegen des Salzverlustes beim Schwitzen jetzt das Beste.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false