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Christian Gräff (2.v.l.) im Gespräch mit Dagmar Lenz, Kerstin Sawatzki und Dieter Wilk von der Bürgerinitiative an der Wuhlestraße.

© Ingo Salmen

Update

Cecilienviertel in Biesdorf: Berlins Außenbezirke wachsen – und die Infrastruktur?

Als Marzahn-Hellersdorf schrumpfte, wurden Häuser abgerissen. Jetzt beklagen Anwohner die Nachverdichtung. Es fehlen Kitas, Parkplätze – und Informationen. Ein Beispiel aus Biesdorf.

Die Arbeiter haben Dagmar Lenz stutzig gemacht. Seit vier Jahren wohnt sie am Buckower Ring in Biesdorf-Nord. Vor einigen Monaten traf sie in dem begrünten Hof, den die drei Gebäude der Degewo umrahmen, ihr unbekannte Leute an, die Messungen vor- und Bodenproben entnahmen. Ein Neubau sei hier geplant, erfuhr die Mieterin auf Nachfrage. „Die Degewo hat uns bis heute nicht offiziell informiert“, sagt Lenz. „Der Bezirk auch nicht.“

Zur Wuhlestraße hin soll ein Achtgeschosser das Karree abschließen, ein Riegel auch in den Hof ragen. Rund 140 Wohnungen sind geplant. Lenz und andere Anwohner, mit denen sie eine Bürgerinitiative gebildet hat, befürchten, dass sowohl Licht als auch Grün verschwinden. Und sie beklagt „die ganze Art, wie über uns hinweg entschieden wird“ – was sie bei der Degewo besonders unverständlich findet, weil es sich um eine Landesgesellschaft handelt.

Der CDU-Abgeordnete Christian Gräff hat sich jetzt der Initiative angenommen. Allein im Cecilienviertel seien 550 Wohneinheiten geplant, erzählt er am Mittwoch vor Ort. Der Kiez ist ein Beispiel dafür, dass Nachverdichtung nicht mehr nur in der Innenstadt zu Konflikten führt. Auch am Rand hat Berlin Wachstumsschmerzen. Ein Mittel gegen den Neubau haben die Anwohner nicht: An derselben Stelle, wenn auch auf kleinerer Fläche, stand einst ein Elfgeschosser – bis er im Rahmen des Stadtumbau-Programms abgerissen wurde, weil Marzahn-Hellersdorf schrumpfte und vieles leer stand. Auch zwei Schulen ereilte damals das Aus. Der Bezirk habe die Grundstücke jedoch als Vorhalteflächen für die Zukunft reserviert, sagt der frühere Baustadtrat Gräff.

Der Christdemokrat hält die Abrisse im Nachhinein noch immer für richtig, aber kritisiert, dass jetzt nicht gleichzeitig neue Infrastruktur gebaut wird, ob Kitas, Schulen oder auch einfache Parkplätze. Ein Schlüssel von 0,5 Stellplätzen pro Wohneinheit möge in der Innenstadt funktionieren, sei aber für die Außenbezirke zu knapp kalkuliert – zumal in Biesdorf Wartburg und Trabant das Maß waren. Eine Taktverdichtung bei den Bussen der BVG hält Gräff ebenfalls für erforderlich. Unrealistisch sei außerdem die Senatsvorgabe von 0,1 Kitaplätzen pro tausend Einwohnern, sagt er. In diesem Punkt sieht er den Bezirk ebenfalls in der Pflicht: Der könne sich über den üblichen Schlüssel jederzeit hinwegsetzen.

Mieterin: „Wir fühlen uns verschaukelt“

Von der vielbefahrenen Cecilienstraße aus ist ein Neubauvorhaben der Degewo an der Joachim-Ringelnatz-Straße zu sehen. Noch ist es eingerüstet, doch Ende 2018 sollen die 299 Wohnungen fertig sein, ein Großteil mit drei und vier Zimmern für Familien. Gut 100 Pkw-Stellplätze wird es geben. Eine ursprünglich geplante Tiefgarage sei aber wieder verworfen worden, berichtet Gräff. Kerstin Sawatzki, die derselben Initiative wie Dagmar Lenz angehört, schaut an einem der Gebäude hoch und zählt nach: „Wieso ist das hier ein Fünfgeschosser, während wir einen Achtgeschosser bekommen?“ Sawatzki hätte sich an der Wuhletalstraße durchaus Kompromisse vorstellen können, sagt sie, doch an die vorhandenen Mieter habe niemand gedacht. „Wir fühlen uns verschaukelt.“

Wünscht sich eine Waldkita: Edelgard Schaup zeigt das Grundstück am Buckower Ring.
Wünscht sich eine Waldkita: Edelgard Schaup zeigt das Grundstück am Buckower Ring.

© Ingo Salmen

Ähnlich geht es einer zweiten Initiative aus dem Kiez. Sie will am Buckower Ring einen Waldkindergarten gründen. Bis in die Nullerjahre hinein stand hier schon eine Plattenbaukita aus DDR-Zeiten. Nach dem Abriss sind dort Bäume gewachsen. 120 seien es schon, „ein kleiner Wald“, sagt Edelgard Schaup, die das Vorhaben propagiert. „Wir wollen hier die Natur für unsere Kinder erhalten.“ Zwei bis drei potenzielle Träger seien interessiert, das Gebäude müsste natürlich aus Holz sein.

Über die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) verfügt das Land über die 6000 Quadratmeter große Brache, aber was es damit vorhat, weiß die Initiative nicht. Schaup, die seit 1984 im Kiez wohnt, und ihre Mitstreiter haben bislang vergeblich versucht, mit den Behörden ins Gespräch zu kommen. „Doch Bezirk und Land“, sagt sie, „hören uns nicht an.“

Der Autor ist Online-Redakteur und berichtet jeden Dienstag im Newsletter "Tagesspiegel Leute" aus Marzahn-Hellersdorf. Hier geht's zur kostenlosen Bestellung.

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