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Der neue Kulturstaatssekretär von Berlin: Tim Renner und die große Kreativkoalition

Überraschungskandidat und Quereinsteiger: Klaus Wowereit präsentiert den Pop-Manager Tim Renner als seinen neuen Kulturstaatssekretär. Ein Portrait.

Von Sabine Beikler

„Hi“ lautet das erste Wort, das Tim Renner am Donnerstag im Roten Rathaus sagt. Berlins Regierender Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit (SPD) stellt den 49-jährigen Medienunternehmer vor, als Nachfolger von André Schmitz. Ein Überraschungskandidat, ein Quereinsteiger: Renner gehörte nicht zu denen, die im Gespräch waren. Als damaliger Chef von Universal hatte er 2002 den Umzug des Musikkonzerns von Hamburg nach Berlin gemanagt und Aktivitäten entfaltet, die dem Kreativstandort „wesentliche Impulse“ gaben, so Wowereit. „Er ist ein bisschen unkonventionell, aber das passt zu Berlin“, einer Stadt, die allein durch den Zuzug von rund 100.000 Neuberlinern in den letzten zwei Jahren ja selbst im Wandel sei. Die Dimension dieser Veränderung sei vielen noch gar nicht bewusst.

Tim Renner wird seinerseits nicht müde, die „unglaubliche Entwicklung“ Berlins seit 2002 zu würdigen, die „maßgeblich durch Kreative und Kulturschaffende bestimmt wurde“. Dank ihrer kommen Touristen in die Stadt, werden Start-ups gegründet. Und wie halten Sie es mit der Hochkultur? Die Frage an den renommierten Plattenboss und Popmanager brennt einem als Erstes unter den Nägeln. Eine „müßige Debatte“, stellt Wowereit schnell klar, auch Renner will nicht zwischen „U“ und „E“ trennen. Das sei eine Diskriminierung für beide Seiten. Berlins Kultur, das ist für ihn Barenboim und Berghain, Radialsystem und Rammstein.

Aber Netzwerken kann er

Tim Renner legt eine entwaffnende Offenheit an den Tag. Freimütig gesteht er, dass er „wahnsinnigen Respekt vor dem Amt“ hat. Dass er keine Verwaltungserfahrung mitbringt und die Behörde erst einmal kennen lernen muss. Aber Netzwerken, fügt er hinzu, das kann er. Und dass er sich den Job nicht zutrauen würde, wenn er nicht einen Vorgänger wie André Schmitz gehabt hätte. Nicht ungeschickt, Schmitz Respekt zu zollen, der Anfang Februar wegen einer Steueraffäre zurückgetreten und in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden war, dessen kulturpolitische Leistungen jedoch weitgehend unbestritten sind. Er habe seine Steuern immer gezahlt, meint Renner seinerseits auf eine entsprechende Nachfrage. Aber ihm fehle noch ein Dorf in Brandenburg. Also doch ein Seitenhieb gegen Schmitz, dessen Amtsführung auch kritisiert worden war, wegen dem an seinem Landsitz Garz in der Prignitz von ihm mitorganisierten „Kultursommer“, bei dem mehrfach das Kinderballett der Deutschen Oper auftrat.

Wowereit will dem Senat nächste Woche den offiziellen Vorschlag unterbreiten, Renner zum Staatssekretär zu berufen. Das Ansinnen trifft beim Koalitionspartner auf Wohlwollen. „Mit Tim Renner wird ein kreativer Kopf und Kenner der Szene zum Staatssekretär ernannt. Als Mann der Kreativwirtschaft wird er die entscheidenden Impulse für eine moderne Kulturpolitik in der Hauptstadt setzen“, so der CDU-Fraktionsvorsitzende Florian Graf. Sein Amt wird Renner allerdings erst am 28. April antreten können. Bis dahin will er sich „vollumfänglich“ seiner jetzigen Firma Motor Entertainment GmbH widmen, einem Dienstleistungsunternehmen für Künstler. Seine Ehefrau und Mitinhaberin Petra Husemann-Renner soll sie dann allein schultern, vorerst: Eine Perspektive über das Ende der Legislaturperiode 2016 hat Wowereit Renner jedenfalls nicht versprochen.

Renner und Wowereit, alte Vertraute

Renner trat im November 2013 in die SPD ein – einen Tag zu spät, wie er sagt, um sich am Mitgliederentscheid über die Große Koalition zu beteiligen. Renner und Wowereit kennen sich indessen schon seit Jahren, hielten Kontakt über Senatskanzleichef Björn Böhning, der für Medienpolitik zuständig ist. Schon nach Wowereits Wiederwahl 2011 hatte der Musikmanager dem Regierenden gratuliert, als einem, der für „Kreativität und Offenheit“ steht. Es seien die wichtigsten Potenziale der Stadt, um neue Investoren anzulocken, meinte Renner damals. Und nun sitzen sie gemeinsam auf dem Podium und betonen unisono das wirtschaftliche Potenzial von Kunst und Kultur.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters begrüßt die „interessante“ Besetzung aus der Szene: Renner werde sicher eigene Akzente setzen. Während die Produzentenallianz als Interessengemeinschaft der Filmwirtschaft in Renner einen „Visionär und Querdenker“ sieht, für den der Ausdruck Kulturwirtschaft „kein Widerspruch in sich“ ist, sieht Grünen-Kulturpolitikerin Sabine Bangert eben darin eine Gefahr. „Es wäre fatal, wenn Tim Renner ausschließlich unternehmerisch und wirtschaftspolitisch an seinen Job herangeht.“ Kulturpolitik gehe weit darüber hinaus. Gleichwohl hält sie Renners Berufung für ein „interessantes Experiment“: Medienindustrie trifft Verwaltung. Bangert hofft aber, dass Renner „jenseits seiner Affinität zur Popkultur die Offenheit und Sensibilität für alle anderen Sparten“ mitbringt.

Die Freie Szene hofft auf Renner

Wolfgang Brauer, Kulturpolitiker der Berliner Linken, bescheinigt Renner wiederum, dass er schon deshalb ein schweres Amt antritt, weil Wowereit „eigenständig denkende und handelnde Menschen in seiner Umgebung ein Graus sind“. Wegen der Personaleinsparungen sei die Kulturverwaltung an die Grenze ihrer Handlungsfähigkeit gelangt. Hinzu komme ein „Trümmerberg offener Probleme“ wie die desaströse Staatsopernsanierung oder die ungenügende Finanzierung der Freien Szene. Auch Kulturpolitiker Philipp Magalski von den Piraten hofft, dass die Off-Kultur „endlich“ die nötige Unterstützung erhalte.

Am finanziellen Rahmen wird sich jedoch so schnell nichts ändern, egal wer das Amt inne hat. Die Verteilung der Mittel ist im Doppelhaushalt 2014/2015 festgelegt. Und Tim Renner hat erst mal Recht, wenn er am Donnerstag sagt, diese Verteilung sei nicht modifizierbar.

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