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Gefährlich sieht es aus, fast lebensmüde. Doch für R. gehören solche Situationen wie hier an einem Hochhaus in der Gropiusstadt in Neukölln zum Arbeitsalltag. Rooftopping im Waschbärenstil nennt er seine Kletterei.

© www.spreefotos.de

Fassadenkletterer und Fotograf: Unterwegs auf den Dächern von Berlin

Er klettert auf Baukräne, steht auf Mobilfunkmasten, hangelt sich an schmalen Dachvorsprüngen entlang - alles für die besten Fotos der Hauptstadt von oben. Das ist nicht immer ungefährlich.

Gefährlich sieht es aus, fast lebensmüde. Ohne Sicherung klettert Mark R. aus dem Fenster eines Penthouses auf einen schmalen Vorsprung unter dem Dach. Von dort aus geht es weiter - ein falscher Schritt und der Mann in schwarzer Jeans und blauer Jacke würde alle 34 Etagen des Hochhauses in der Gropiusstadt in die Tiefe fallen. Für den Extremkletterer gehören Situationen wie diese zum Alltag.

"Rooftopping im Waschbärenstil" nennt der 29-Jährige seine Kletterei. "Roofen" ist ein Trend, dem besonders in Osteuropa viele Jugendliche folgen. Sie erklimmen hohe Gebäude und berauschen sich am Echo ihrer Fotos in den sozialen Netzwerken. In Berlin hat im Juni 2014 ein szenebekannter Ukrainer Aufsehen erregt, als er ungesichert die 36-Meter hohe Molecule-Man-Skulptur in der Spree bestieg.

Die Leidenschaft zum Beruf gemacht

Auch R. merkt man große Begeisterung für urbane Klettereien an, er twittert viele seiner Fotos. Dabei hat er es geschafft, seine Leidenschaft mit einem Beruf zu verbinden. Nach der Ausbildung zum Industriekletterer fing der gebürtige Berliner vor fünf Jahren damit an, Fotos von markanten Gebäuden in der Stadt zu machen, immer von Dächern herab. Die Bilder stießen auf Interesse bei Immobiliengesellschaften, die ihn mit neuen Aufträgen versorgten und über Hausmeister zum Teil auch Schlüssel zu ihren Häusern überreichten. So sei er auch zu seinem Job als Hausfotograf der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gekommen, erzählt er. Der Blick vom Glockenturm weckte seine Leidenschaft für die City West.

Konkurrenz braucht R. bei seiner Arbeit kaum zu fürchten. Kaum ein Gebäudefotograf nimmt es gerne auf sich, seine Motive täglich über Nottreppen zu erreichen. Als Problem dabei stellte sich jedoch die Aufmerksamkeit von Mietern oder Passanten heraus: In Hohenschönhausen rief eine ältere Dame bei einer Dachbesteigung R.s die Polizei. Ein Mann sei mit einem Schweißbrenner dabei, das Dach aufzuschneiden, berichtete sie aufgeregt. "Daraufhin rückte das Spezialeinsatzkommando der Berliner Polizei an", erzählt der Fotograf. Er hat sich seither angewöhnt, die Polizei zu informieren, wenn er für einen legalen Auftrag auf Häuser klettert.

Ohne Sicherung steht Mark R. auf der Spitze eines Mobilfunkmasts über der Stadt. Mit den Beinen verschafft er sich genug Halt am Mast, um fotografieren zu können.
Ohne Sicherung steht Mark R. auf der Spitze eines Mobilfunkmasts über der Stadt. Mit den Beinen verschafft er sich genug Halt am Mast, um fotografieren zu können.

© www.spreefotos.de

Legal sind nicht alle seiner Fotos entstanden. "Ich brauche sechs Monate, um irgendwo hochzukommen, bin aber in zehn Minuten schon wieder unten.“ Der Aufwand für eine Genehmigung nervt ihn so stark, dass er Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs riskiert und Dachkanten entlang sprintet, um Sicherheitsleuten zu entkommen.

Er stieg illegal aufs Kanzleramt

Vorläufiger Höhepunkt seiner illegalen Klettereien war ausgerechnet das Bundeskanzleramt, das er über ein ungesichertes Baugerüst bestieg. "Ich wollte auf das Dach, um Fotos zu machen", kommentiert er die dreiste Aktion. Das dicke Ende: Tränengas in den Augen, blaue Flecke und eine Anzeige wegen schweren Landfriedensbruchs. Das Verfahren sei schließlich gegen Geldstrafe und unter der Bedingung eingestellt worden, "sämtliche Feldmaterialien" zu löschen.

R. kletterte auf die Spitze des Funkturms, war auf dem Roten Rathaus und zahlreichen anderen Bauten im ganzen Berliner Stadtgebiet. Am meisten interessiert ihn die City West - der Ku'damm, das Messegelände und das Internationale Kongresszentrum (ICC). Wenig Begeisterung bringt der in Schöneberg aufgewachsene Fotograf für den Berliner Osten auf: "Dort ragt aus vielen Dachperspektiven unvermeidlich der Fernsehturm im Hintergrund empor. Das langweilt mich!"

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