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Grillen im Park - eine große Freude und zugleich mancherorts eine Ordnungswidrigkeit.

© dpa

Rechtsstreitigkeiten der Bezirke: Wenn Berlin gegen Berlin klagt

Eine Million Euro geben die Bezirke pro Jahr für Rechtsstreitigkeiten aus. Mal geht es ums Grillen, mal um die Grundsicherung – und ab und zu sogar gegen den Senat.

Wenn’s ums Geld geht, endet die Freundschaft – und zwar auch jene zwischen Bezirksangestellten und Berliner Landesbediensteten. Ein schönes Beispiel dafür spielt zurzeit mitten in der Stadt. Dort, wo einmal der Palast der Republik stand, fordert der Bezirk Mitte von einer Firma mehr als vier Millionen Euro dafür, dass diese jahrelang Bürgersteige und Plätze mit Baggern und Baumaschinen blockiert hatte. Dabei war die Firma im Auftrag des Landes Berlin unterwegs – um den Palast der Republik abzureißen.

Obwohl der Vorfall Jahre zurückliegt: Wenn Berlin mit Berlin streitet, dann kann das teuer kommen. Wie hoch am Ende die Rechnungen der Rechtsanwälte und die Gerichtskosten sein werden, das wird sich erst nach dem Richterspruch in zweiter Instanz erweisen.

Jeder gegen jeden. Gerichtliche Auseinandersetzungen führen Berlins Bezirke in vielerlei Hinsicht. Das reicht vom Grundstücksstreit bis zum Gerangel um nicht gezahlte Bußgelder – beispielsweise für illegales Grillen im Tiergarten. Berlinweit haben juristische Streitigkeiten aller Art die Bezirke im Jahr 2013 zusammen gut eine Million Euro gekostet. Der Bezirk Mitte gab rund 176 000 Euro für Anwalts- und Gerichtskosten aus. Mehr als doppelt so viel war es dem Bezirk Pankow wert, Recht zu bekommen.

Auseinandersetzung mit Bauherren

Schuld daran sind vor allem die Auseinandersetzungen mit Bauherren: Mehr als 200000 Euro hatte den Bezirk allein schon der Vergleich mit einem Bauherrn in der Belforter Straße gekostet. Ein Schlag ins Kontor war auch der Streit um den Hirschhof an der Oderberger Straße, der von drei Eigentümergemeinschaften bis zum Bundesgerichtshof getragen wurde. Diese sehen den Hof im Ensemble, der einmal von Bürgerbewegten zur öffentlichen Grünfläche erklärt worden war, als Privatbesitz an. „Das ist ein aus Kleinstädten importierter Starrsinn, der die Großstadt kaputt macht“, sagt Baustadtrat Jens-Holger Kirchner.

Als streitlustig sieht sich Mittes Bezirksstadtrat für Ordnung, Carsten Spallek (CDU), wegen seines juristischen Feldzuges gegen die Palast-Abreißer nicht, obwohl er sich dabei letztlich auch mit dem Land Berlin und dem Bund anlegt. „Ich muss mich an die Landeshaushaltsordnung halten und die schreibt nun einmal die Erhebung von Gebühren für die Nutzung öffentlicher Flächen vor“, sagt Spallek. Die Firma DSK, die im Auftrag des Landes den Abriss besorgte, habe eine Genehmigung eingeholt. Diese sei jedoch zeitlich begrenzt gewesen. Ein Nachfolgeantrag sei nicht eingereicht worden – und deshalb habe der Bezirk nach Ablauf der Frist die auch sonst üblichen Gebühren erhoben. Dieses Geld will die DSK nun aber nicht zahlen.

Spallek sieht sich auch deshalb im Recht, weil sich das Land Berlin und der Bund selbst auch gut auf das Geschäft mit der Vermietung öffentlichen Straßenlandes verstünden: So sei beispielsweise hinter den Bauzäunen für die Sanierung der Staatsoper Platz für die Modemesse „Fashion Week“ geschaffen worden – und der Bezirksstadtrat vermutet, dass der Bauherr die Modemanager dafür selbst zur Kasse gebeten haben dürfte. Die Staatsoper wird unter der Regie des Landes saniert, der Bund steuert aber ebenfalls Millionen zu dem Projekt bei.

Mitte mit spezialisierten Rechtsanwälten

Ganz anders ist die Auffassung der Firma nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: Das Unternehmen vertrete die Rechtsauffassung, dass es „den Behörden und nichtrechtsfähigen Anstalten des Bundes und der Länder gleichzustellen“ sei, erklärt Sprecherin Petra Rohland. Für diese sei zum Zeitpunkt der Abrissarbeiten eine „Sondernutzung“ öffentlicher Flächen gebührenfrei gewesen. Die Baustelleneinrichtung für den Abbruch sei 2006 erfolgt. Wegen der „ursprünglich nicht bekannten Restasbestbelastung des Palastes der Republik“ habe man jedoch die Sondernutzungserlaubnis „für den Zeitraum vom 1. Juni 2007 bis 30. April 2009 verlängern“ müssen.

In Auseinandersetzungen wie diese zieht der Bezirk Mitte mit spezialisierten Rechtsanwälten vor Gericht: „Das ist zu komplex, um es mit dem eigenen Rechtsamt zu machen“, sagt Spallek. Und den „nächsten großen Brocken“ sieht er schon auf sich zurollen: Der Bezirk streitet mit Grundstückseigentümern am Potsdamer Platz. Auch hier geht es um offene Rechnungen, die Jahre zurückliegen – für die längst abgeschlossene Erschließung der Areale.

Doch nicht überall steigen die Ausgaben für Rechtsstreitigkeiten. Charlottenburg-Wilmersdorf halbierte die Kosten von über 147 000 Euro im Jahr 2012 auf 78 000 Euro in 2013. Weil der Bezirk des Streitens müde ist? Vize-Bezirksbürgermeister Carsten Engelmann lacht und sagt: „Nein. Die Kosten hängen von der Zahl der Klagen ab – und vom Ausgang.“ Gestritten werde zum Beispiel um Ordnungsgelder gegen Hausbesitzer, weil diese den Bürgersteig nicht schneefrei geräumt hatten. Auch Bescheide für Grundsicherungs-Empfänger würden schon mal gerichtlich angefochten: zum Beispiel um die Übernahme von Mehrkosten für Wohnungen durchzusetzen.

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