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Kommt schon bald ein neuer Streik?

© dpa, Paul Zinken

Warnstreik der Angestellten in Berlin: "Bei gutem Wetter streiken kann jeder!"

Erneut waren mehr als 10.000 Angestellte auf der Straße - und das bei scheußlichem Wetter. Sie fordern mehr Lohn und die Sicherheit ihrer betrieblichen Rente.

Das Wetter könnte kaum trüber sein für den fünften Warnstreik der Angestellten. Vorsorglich hat die GEW, die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, an diesem Donnerstag hunderte von Regencapes zum Molkenmarkt in Berlin-Mitte genommen und verteilt sie an alle Streikenden auf dem Platz. Um zehn Uhr morgens wirkt es, als bestünde die Demo nur aus Mitgliedern der GEW. Hin und wieder ist ein grünes Regencape der Polizei zu sehen, deren Angestellte ebenfalls streiken. „Die Stimmung ist trotzdem ungetrübt“, sagt Anja Klinger aus Marzahn. Ihre Kollegen und sie reihen sich im Demozug hinter der Trommlergruppe ein und tanzen mit – eine gute Art und Weise, sich warmzuhalten. Die 41-Jährige arbeitet seit 21 Jahren bei der Polizei und war bei der letzten Demo am 11. März auch schon dabei. „Es hat sich nichts geändert“, sagte sie.

Der Meinung sind an diesem Vormittag viele. Vom Molkenmarkt führt die Route durch die Museumsinsel bis zum Gendarmenmarkt, wo zwischen Konzerthaus, Deutschem Dom und der französischen Friedrichstadtkirche die Abschlusskundgebung stattfindet. Die Polizei wird später von etwa 12.000 Demonstranten sprechen. Neben den Angestellten aus Berlin sind auch die Streikenden aus Brandenburg vor Ort, die beim letzten Streik am 11. März eine eigene Demo veranstaltet haben.

"Das Schloss wird dreist für Milliarden von Steuergeldern gebaut"

Die angestellten Lehrer der Sophie-Charlotte-Oberschule waren schon beim letzten Termin am Alexanderplatz. „Es war beeindruckend“, sagt Hendrik Baron. „Wir können nur hoffen, dass der Druck hochgehalten wird.“ Ihm komme es aber nicht auf die Zahl der Demonstranten an, „sondern auf das Signal. Wir zeigen, dass wir im Notfall auch die Prüfungen der Schüler ausfallen lassen.“ Bei der Sophie-Charlotte-Schule ist das heute nicht der Fall. „Wir sind nicht genug Angestellte“, erklärt Baron, der selbst Mathe, Politik und Geschichte unterrichtet. Der 30-Jährige ist seit zweieinhalb Jahren an der Schule angestellt. „Wir sind etwa 13 Leute, die heute streiken“, sagt er.

Der Pressesprecher der GEW, Tom Erdmann, feuert während der Demo die Streikenden von seinem Mikrophon am Auto aus an. „Bei gutem Wetter streiken kann jeder“, sagt er. Der Zug zieht am Neubau des Schlosses vorbei. „Das hier wird dreist für Milliarden von Steuerngeldern gebaut und für euch ist kein Geld da“, ruft er ins Mikrophon. Die Mitlaufenden jubeln und klatschen. Einige halten selbst gebastelte Schilder hoch: „VBL – Veräppelte Betrogene Leistungsträger?“ steht auf einem.

Ein Waldarbeiter: "Der Altersschnitt liegt bei 55 Jahren"

Die VBL, die betriebliche Rente der Angestellten ist ein Hauptthema bei den Streikenden aus allen Berufsgruppen. „Viele verstehen gar nicht richtig, welche Konsequenzen das haben kann“, sagt Hartmur Riegert. Der 49-Jährige ist bei der Gewerkschaft Kommunaler Landesdienst und beim Senat für Stadtentwicklung und Umwelt als Bauingenieur angestellt. „Die ganze Problematik ist sehr kompliziert.“ Zwar hoffe er auch auf einen Kompromiss, was die geforderte Lohnerhöhung von 5,5 Prozent angeht, „aber die VBL muss unangetastet bleiben“, sagt er. Der Bauingenieur beobachte vor allem in den Verwaltungen, dass sich die Angestellten im Streiken zurückhalten: „Die Arbeit stapelt sich eben in der Zeit auf dem Schreibtisch. Das übernimmt niemand.“

Auch vom Forstbetrieb Brandenburg ist eine Gruppe angereist, die mit Helm und Schutzkleidung am Gendarmenmarkt ihr Transparent von der IG Bau hochhalten. „Mehr Lohn und VBL – beides ist gleich wichtig“, sagt Waldarbeiter Hans Günther. Ihnen geht es aber auch um das fehlende Personal in ihrem Vertrieb. „Der Altersdurchschnitt liegt bei 55 Jahren“, sagt Günther, der selbst 59 Jahre alt ist. „Aber die Älteren können nicht kürzer treten, weil es an Leuten fehlt.“

Dass „enormer Druck“ auf den Angestellten lastet, stellt am Ende der Demonstration auch der Pressesprecher von Verdi, Andreas Splanemann fest. „Sonst wären bei diesem Wetter nicht so viele gekommen.“ Den Reden der Gewerkschaftsvorsitzenden hört nach eineinhalb Stunden Spaziergang durch Berlin kaum jemand mehr zu. Stattdessen holen sich die Angestellten Würstchen mit Brot an einem Stand, der am Rand des Gendarmenmarkts für die Streikenden aufgestellt wurde. 

Bilder vom Warnstreik an Schulen im Februar:

Laura Worsch

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