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Ursachenforschung: Die Flughafenpanne geschah nicht einfach so

Der Skandal um den Flughafen BER war ein Desaster mit Ansage. Schon viel früher hätte festgestellt werden müssen, dass das Großprojekt nicht fertig wird. Nun muss nachgebohrt werden, wer an diesem kollektiven Verdrängungsprozess beteiligt war.

Das war keine gute Woche für Berlin, auch wenn nun schon wieder mit der ortstypischen Tendenz, kleine Sorgen groß- und große Probleme kleinzureden, an der Bagatellisierung des Geschehenen, oder, besser: des Nichtgeschehenen, gearbeitet wird.

Hertha in der ersten Liga? Dass das so bleibt, ist unwahrscheinlich. Flughafeneröffnung noch 2012? Fraglich. Die Berliner tragen an beiden Peinlichkeiten keine Schuld. Der Herthamanager stammt aus Düsseldorf, die Flughafengeschäftsführer sind auch nicht mit Spreewasser getauft, das planende Architektenbüro hat seinen Hauptsitz an der Hamburger Elbchaussee. Dennoch werden die Blamagen als Berliner Blamagen wahrgenommen, und wir Berliner sind auch die Einzigen, die sich schämen für ihre Stadt.

In der Politik gilt das nur bedingt. Klaus Wowereits so fürsorglich klingende Anmerkung, man habe der Sicherheit oberste Priorität gegeben, ist eine freche Verdrehung der tatsächlichen Fragestellungen. Niemand zweifelt doch am Vorrang der Sicherheit! Aber wenn man nach einem halben Jahrzehnt Bauzeit drei Wochen vor der Eröffnung feststellt, dass diese Sicherheit nicht gegeben ist – das ist der Skandal. Dabei war es ein Desaster mit Ansage.

Ende 2009/Anfang 2010 geriet eines der drei Planungsbüros, die IGK, mit den Planungsunterlagen in Verzug. Die Flughafengeschäftsführung sanktionierte das Unternehmen durch teilweise Zurückhaltung der Zahlungen. Das war zulässig, beschleunigte die Arbeiten aber nicht etwa, sondern trieb die IGK im April 2010 in die Insolvenz. Die liegen gebliebenen Planungsunterlagen, unter anderem die zum Brandschutz und zum Entrauchungssystem, wollten die beiden verbliebenen Büros miterledigen. Da betrug der Planungsrückstand ein Jahr.

Zu diesem Zeitpunkt verkündete die Flughafengesellschaft die erste Verschiebung des Eröffnungstermins von Ende Oktober 2011 auf Anfang Juni 2012, also um sieben Monate. Der demnach verbleibende Planungsrückstand und der entsprechende Verzug bei den Bauausführungen betrugen also rund fünf Monate. Er ist offenbar bis heute nicht abgearbeitet. Von einer Eröffnung Ende August zu sprechen, heißt also nur, den nächsten Verschiebungstermin zu definieren. Ende Oktober, wie es Hartmut Mehdorn fordert, scheint realistischer.

Sehen Sie in Bildern: So denken die Berliner über den neuen Flughafen

Wäre das alles zu verhindern gewesen? Ja. Natürlich ist ein Flughafenneubau des Jahres 2012, im Vergleich etwa zum 1992 eröffneten neuen Münchner Flughafen, unendlich komplizierter. Auch Autos, Baujahr 2012, sehen anders aus als die 1992er Modelle. Hinzu kamen die nach dem Düsseldorfer Flughafenbrand 1996 mehrfach verschärften Sicherheitsauflagen. Aber zum Hexenwerk wurde das Projekt deswegen nicht. Bauabläufe bei solchen Vorhaben werden mit einem Planungsnetz kontrolliert, an dessen erreichten – oder nicht erreichten – Knotenpunkten sich früh ablesen lässt, ob der Schlusstermin gehalten werden kann, oder ob man bei Zeitverzug gegensteuern muss, etwa durch zusätzliches Personal. All das mussten die Planungsbüros im Auge haben. Aufgabe einer Geschäftsführung wäre es, sich regelmäßig zu informieren und zur Not einzugreifen.

Wenn der Flughafen einmal eröffnet ist, werden ihn vermutlich, bis auf die Anlieger, alle bestaunen. Aber das darf keine Ausrede sein, jetzt nicht zu bohren, wer alles an diesem kollektiven Verdrängungsprozess beteiligt gewesen ist.

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