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Mit Kind und Kegel: 2800 kommen zur Weihnachtsfeier für Wohnungslose

Im Neuköllner Hotel Estrel feierten 2800 Bedürftige mit Frank Zander und vielen Prominenten Weihnachtsfeier. Seit 17 Jahren werden Obdachlose bekocht und beschenkt.

Bis in den letzten Winkel des großen Saals stehen die mit Tannengrün, Apfelsinen und Schoko-Nikoläusen geschmückten Tische. Marcus Zander hat mit seinen 150 freiwilligen Helfern diesmal alles getan, um so viele bedürftige Menschen wie möglich im Kongresszentrum des Neuköllner Hotels Estrel unterzubringen. Der Sohn von Frank Zander organisiert das weihnachtliche Gänseessen für Wohnungslose nun schon seit 17 Jahren. Im letzten Jahr ist es ihm erstmals passiert, dass das Maximum von 2800 Gästen überschritten wurde und über 200 Menschen draußen bleiben mussten. Daher wurden nun im Vorfeld an Beratungsstellen und Essensausgaben kostenlose Einlassbändchen verteilt. „Die Entscheidung ist uns sehr schwer gefallen, aber wir sind an unsere organisatorischen Grenzen gestoßen“, sagt der 43-Jährige. Außerdem sei so besser zu gewährleisten, dass wirklich die Ärmsten der Armen von dem Fest und den zahlreichen Sachspenden wie Schlafsäcken, Kleidung und Kinderspielzeug profitieren.

Tatsächlich entsteht im Gespräch mit vielen Gästen am Montagabend aber der Eindruck, dass auch diesmal die Zahl der Hartz-IV- und Grundsicherungsbezieher größer ist als die der Wohnungslosen. „Ich finde es dennoch sehr schockierend, dass jedes Jahr mehr Menschen kommen“, sagt Oliver Kalkofe. Das könne schließlich nur bedeuten, dass das staatlich definierte Existenzminimum einfach nicht ausreiche. Der Komiker ist bereits zum fünften Mal unter den Prominenten, die an den Tischen Gänsekeulen, mehrere Tausend Klöße und Hunderte Kilo Rotkohl servieren. Und er ist einer von denen, die so wirken, als seien sie wirklich für die Bedürftigen und nicht für die Foto- und Fernsehkameras gekommen: Eifrig tischt der 46-Jährige auf und räumt ab, unterhält sich mit den Gästen und gibt viele Autogramme. Auch Renate Künast ist häufig zwischen den Gästen zu sehen und macht den Eindruck, als fremdle sie in der ungewohnten Situation viel weniger als noch bei ihrer Premiere vor einem Jahr. So war ihr damaliger Auftritt auf dem Fest nicht nur prestigeorientiertes Kalkül beim Kampf um das Amt des Regierenden Bürgermeisters, wie Skeptiker vermuteten? Die Grünen-Politikerin macht eine abwehrende Geste: „Ich war schon immer für Engagement und werde nächstes Jahr wiederkommen“, versichert sie und fügt hinzu. „Nach der intensiven Zeit des Wahlkampfes weiß ich vielleicht noch etwas besser, wo die Leute der Schuh drückt.“ Nach ihrer Niederlage gegen Klaus Wowereit (SPD) im September war es um die 56-Jährige zunächst recht ruhig in Berlin geworden.

Neben dem neuen Innensenator Frank Henkel (CDU), der angesichts seiner neuen Position erstmals mehrere Leibwächter mitgebracht hat, serviert auch ein anderer Wiederholungstäter: Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) hat sein eigenes System, um zwischen besonders und nur wenig bedürftigen Gästen zu unterscheiden: „Wenn einer schon drei Taschen mit Süßigkeiten voll hat oder nach mehr Gänsebraten schreit, gehe ich nicht hin“, so der 63-Jährige. Er glaube, dass sich leider viele bedürftige Menschen ihr Schicksal selbst aussuchen. So verstehe er auch nicht, warum es immer mehr Alleinerziehende gebe. „Früher war das ein Schicksalsschlag, heute scheint es geradezu schick zu sein“, sagt Buschkowsky, bevor die einsetzende Livemusik seine Stimme übertönt. Die ersten Gäste stehen auf dieses Zeichen sofort auf und beginnen, vor der Bühne zu tanzen und mitzusingen. Die nächsten Stunden gehört ihr Herz nun den Songs von Petra Zieger, Michael Hirte und Frank Zander. Dann geht es wieder zurück: in die eigene Wohnung, das Zimmer im Wohnheim oder hinaus die Nacht.Eva Kalwa

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