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Die Schweinepreise stehen unter Druck.

© dpa

Bauernpräsident Rukwied: "Die Schweinepreise stehen mächtig unter Druck"

Der Präsident des Bauernverbands, Joachim Rukwied, über die Befindlichkeit der Landwirte, den Einsatz von Antibiotika im Stall und die Energiewende.

Herr Rukwied, wie viel Land besitzen Sie?
Wir bewirtschaften selbst rund 300 Hektar. Darüber hinaus betreibe ich mit einem Partner einen Ackerbaubetrieb. Zudem führe ich die Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes für einen anderen Landwirt durch.

Was kann man sich unter 300 Hektar vorstellen?

Das sind rund 400 Fußballfelder. Wir bauen dort Weizen, Gerste, Roggen, Raps, Körnermais, Zuckerrüben, Weiß- und Rotkohl an und Gurken.

Schweinefleisch so billig wie lange nicht: Rukwied ist sauer auf Aldi und die Preisschlachten im deutschen Einzelhandel.
Schweinefleisch so billig wie lange nicht: Rukwied ist sauer auf Aldi und die Preisschlachten im deutschen Einzelhandel.

© Doris Spiekermann-Klaas

Steht auf Ihrem Hof auch noch eine Biogasanlage, in der sie Ihren Mais oder Ihre Rüben zu Strom oder Gas vergären und damit extra Geld verdienen?
Wir haben darüber nachgedacht – vor allem wegen der Verwertung von Reststoffen wie etwa Kohlstrünken. Mittlerweile haben wir davon aber wieder abgesehen. Im Hinblick auf die EEG-Reform steht der Bau einer neuen Anlage derzeit für uns nicht zur Diskussion.

Dabei haben die Herren Seehofer und Schmidt von der CSU und Thüringens Ministerpräsidentin Lieberknecht doch Schlimmeres verhindert. Die Einschnitte sind doch jetzt eher übersichtlich, oder?
Das sehe ich anders. Ich erwarte von der Politik Verlässlichkeit. Deshalb stand es für mich immer außer Frage, dass die Förderung von Altanlagen im Nachhinein nicht gekürzt werden darf. Es muss einen Bestandsschutz geben.

Also feste Vergütungen für 20 Jahre …
Für die Bewertung der Reform kommt es deshalb darauf an, wie die Förderung neuer Anlagen aussieht. Nach dem jetzigen Stand der Reform des EEG wird es voraussichtlich keinen Zubau von neuen Biogas-Anlagen geben. Das ist bedenklich, denn die Krim-Krise hat doch gezeigt, dass wir heimische, verlässliche nachwachsende Energieträger brauchen. Positiv sehe ich, dass wenigstens die Modernisierung bestehender Anlagen nicht unter die Neuregelung fallen soll.

Wie viel steuern Windräder, Biogas- und Solaranlagen zum Einkommen der Bauern bei?
Der Anteil am Umsatz liegt geschätzt bei etwa zehn Prozent, insgesamt bei rund sechs Milliarden Euro im Jahr. Es gibt Betriebe, die erzielen bereits heute die Hälfte ihres Einkommens durch erneuerbaren Strom, und andere so gut wie gar nichts.

Neue Biogas-Anlagen sollen nur noch mit Abfallstoffen wie Gülle oder Holzresten betrieben werden. Ist jetzt endlich Schluss mit der Vermaisung der Landschaft?
Man braucht schon einen gewissen Anteil von Mais, damit die Biogas-Anlagen effizient arbeiten können. Das Wort Vermaisung trifft aber nicht zu, es ist eher ein Kampfbegriff. Dahinter steckt die Unterstellung, dass in Deutschland nur Mais angebaut wird. In Wirklichkeit ist der Mais ein wertvoller Bestandteil von Fruchtfolgen. Wenn man die gesamte Ackerfläche nimmt, liegt der Maisanteil bei circa 20 Prozent. Allerdings gibt es Regionen, in denen der Anteil höher ist.

Warum sich die Bauern ungerecht behandelt fühlen

Schweinefleisch so billig wie lange nicht: Rukwied ist sauer auf Aldi und die Preisschlachten im deutschen Einzelhandel.
Schweinefleisch so billig wie lange nicht: Rukwied ist sauer auf Aldi und die Preisschlachten im deutschen Einzelhandel.

© Doris Spiekermann-Klaas

Fühlen sich die Bauern ungerecht behandelt?
Ich werde von Bauern oft darauf angesprochen, die sagen: „Ich bin 365 Tage im Jahr im Stall bei meinen Tieren. Ich gehe mit den Tieren gut um. Aber in den Medien wird unsere verantwortungsvolle Arbeit im Stall als Massentierhaltung angeprangert.“ Das trifft die Menschen in ihrer Seele. Denn es stimmt einfach nicht, die meisten Höfe sind Familienbetriebe. Der durchschnittliche Umsatz eines Hofs beträgt 300.000 bis 400.000 Euro, das ist im Vergleich zu Handwerk und Gewerbe doch kein Großbetrieb. Das ist Mittelstand.

Wie viel bleibt davon als Gewinn übrig?
Im Schnitt waren es im vergangenen Jahr 43.000 Euro je Familienarbeitskraft. Davon gehen aber noch die Sozialabgaben ab sowie die Tilgung von Krediten und die Finanzierung von Neuinvestitionen.

In einem Punkt sind Sie mit den Agrarkritikern einig: Auch der Bauernverband ist gegen den Genmais 1507. Woher kommt diese seltene Allianz?
Ich setze mich für die Bauern ein und für uns steht fest: Die Verbraucher wollen keine gentechnisch veränderten Lebensmittel. Den Landwirten, die gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen, droht zudem ein nicht zu verantwortendes, nicht versicherbares Haftungsrisiko. Wir raten daher vom Anbau ab.

Aber im Tierfutter stecken doch jede Menge gentechnisch veränderte Stoffe, also GVO-Zutaten!
Ungefähr 80 Prozent des Sojaanbaus weltweit sind GVO-Soja, das als Sojaschrot ein hochwertiges Eiweißfuttermittel ist. Übrigens: Im überwiegenden Teil der Lebensmittel stecken gentechnisch veränderte Zutaten etwa Enzyme. Deshalb sind wir dafür, dass offen deklariert wird, wenn gentechnisch veränderte Materialien im Herstellungsprozess der Lebensmittel verwendet werden.

In den USA ist Gentechnik längst Alltag in der Landwirtschaft. Die Amerikaner möchten diese Produkte auch in Europa verkaufen und versuchen das, über das Freihandelsabkommen möglich zu machen. Wie wichtig sind die USA als Absatzmarkt für deutsche Bauern?
Auch wir haben ein Interesse an dem Abkommen. Unsere Lebensmittel sind gefragt, haben einen exzellenten Ruf. Bei den Verhandlungen haben wir aber Vorgaben. Unsere Standards dürfen durch Importe nicht unterlaufen werden. Chlorhähnchen oder Hormoneinsatz in der Tierhaltung haben in Europa nichts zu suchen.

Was ist mit den Antibiotika? Seit vergangener Woche ist das neue Arzneimittelgesetz in Kraft, das den Einsatz in den Ställen drosseln soll. Haben die Bauern diese Mittel in der Vergangenheit zu leichtfertig eingesetzt?
Nein. Wir Bauern haben uns ja selbst für eine Strategie zur Minimierung von Antibiotika verpflichtet. Seit 2012 wird bei QS eine Datenbank geführt, in der der Antibiotikaeinsatz ausgewertet wird. Aber grundsätzlich gilt doch: Wenn ein Tier krank ist, muss man es behandeln. Das ist eine Frage des Tierschutzes. Und Reserveantibiotika ...

... hoch wirksame Mittel, gegen die noch keine oder nur wenige Resistenzen bestehen ...
... Reserveantibiotika werden in der Tiermast so gut wie gar nicht eingesetzt. Ich halte das neue Gesetz für problematisch. Aus den Meldungen der Bauern über Häufigkeit und Dauer der Anwendung soll ein Mittelwert über Antibiotikaeinsatz gebildet werden. Wenn ein Tierhalter mehr verwendet, besteht die Gefahr, dass er eine Behandlung vorzeitig abbricht, um Sanktionen zu entgehen. Damit können aber neue Resistenzen entstehen.

Bauern wollen ihre Tiere besser halten, wenn sie für das Mehr an Tierwohl höhere Preise vom Handel bekommen. Wie weit ist diese Tierwohlinitiative?
Mit der Initiative wollen erstmals Landwirtschaft, Schlachtunternehmen und Lebensmittelhandel gemeinsam die Haltungsbedingungen der Nutztiere auf freiwilliger Basis weiter verbessern. Wir haben seit über einem Jahr in verschiedenen Arbeitskreisen die Details ausgehandelt. Wir Bauern warten auf den Startschuss. Der Lebensmitteleinzelhandels ist jetzt am Zug, das Mehr an Tierwohl muss bezahlt werden.

Es geht um Schweine- und Geflügelfleisch. Wie viel teurer wird das?
Es geht auf das Kilogramm umgerechnet um wenige Cent. Der Aufwand und die Investitionen für zusätzliches Tierwohl können nicht umsonst sein.

Warum viele Schweinemäster Verluste machen

Schweinefleisch so billig wie lange nicht: Rukwied ist sauer auf Aldi und die Preisschlachten im deutschen Einzelhandel.
Schweinefleisch so billig wie lange nicht: Rukwied ist sauer auf Aldi und die Preisschlachten im deutschen Einzelhandel.

© Doris Spiekermann-Klaas

Aldi senkt die Lebensmittelpreise im Wochenrhythmus, andere ziehen nach. Was heißt das für die Bauern?
Wenn der Preis für das Endprodukt gesenkt wird, schlägt das negativ auf die gesamte Wertschöpfungskette, also auch auf die Bauern durch. Beim Schweinefleisch sind die Preise im ersten Quartal massiv unter Druck geraten. Viele Schweinemäster haben Verluste gemacht.

Wegen Aldi?
Die Verbraucherpreise haben schon Signalwirkung auf die Erzeugerpreise. Im März ist etwa bei Schweinen der Preis von einer Woche auf die nächste um fast zehn Prozent gesunken – auf unter 1,50 Euro pro Kilo Schlachtgewicht.

Muss der Gesetzgeber einschreiten?
Agrarminister Schmidt hat gesagt, dass er die Preissenkungen unter die Lupe nehmen will. Das hat mich gefreut. Die Politik muss sich dem Thema widmen.

Von wegen Politik. Das Kabinett hat für den Mindestlohn gestimmt, Sie sind dagegen. Gönnen Sie den Erntehelfern nicht 8,50 Euro in der Stunde?
Die Wettbewerbsfähigkeit der Obst-, Gemüse- und Weinbauern steht auf dem Spiel. Dort haben die Arbeitskosten einen enorm hohen Anteil an den Gesamtkosten. Wenn die Löhne steigen, müssten auch die Preise steigen. Aber Preiserhöhungen lassen sich angesichts der Marktmacht der Lebensmittelhändler schwer durchsetzen.

Was verdienen Erntehelfer derzeit?
Basis für die Entlohnung ist in der Regel der jeweils in der Region gültige Tarifvertrag. Viele Saisonkräfte kommen aus dem EU-Ausland oder sind Hausfrauen, Schüler, Studenten. Weil sie in der Regel höchstens zwei Monate lang arbeiten, bekommen sie ihren Lohn brutto für netto. Der Mindestlohn würde zu Spannungen in den Betrieben führen. Denn die Wenig-Jobber bekämen die 8,50 Euro auf die Hand, während die Festangestellten davon noch Sozialabgaben bezahlen müssten.

Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus? In Sendungen wie „Bauer sucht Frau“ sind die meisten Heiratskandidaten doch eher abschreckend. Richtet die Sendung Schaden an?
Also, ich habe eine Frau (lacht). Ich glaube auch nicht, dass „Bauer sucht Frau“ Schaden anrichtet. Die Zuschauer wissen, dass die Bauern in Deutschland nicht so sind. Ich kenne viele junge Bauern mit netten, attraktiven und intelligenten Frauen.

Der Bauer

Joachim Rukwied (52) kommt aus einer Bauernfamilie und hat einen Hof in Heilbronn. Nach einer Ausbildung zum Landwirt hat der 1,93-Meter-Mann Agrarwirtschaft an der Uni studiert. Rukwied ist CDU-Mitglied, verheiratet und hat einen Sohn sowie zwei Töchter.

Der Verband

Rukwied ist seit 2012 Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV) und Nachfolger von Gerd Sonnleitner. Der DBV ist die größte landwirtschaftliche Interessenvertretung in Deutschland. Mitglieder sind die 18 Landesbauernverbände. Über 80 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe sind Mitglieder in einem Landesverband.

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