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Rägelin: Abkürzung durchs Dorf – Lkw kracht in Wohnhaus

In Rägelin raste ein Lastwagen in ein Wohnhaus – nicht zum ersten Mal. Das Dorf leidet unter schwerem Lasterverkehr. Vor allem Lkw aus Polen, Russland und dem Baltikum fahren durch das Dorf, um Mautgebühren zu sparen.

Rägelin – Im Giebel des Wohnhauses in der Mitte des Dorfes Rägelin klafft ein großes Loch. Ein Lastwagen krachte hier am Dienstagmorgen direkt ins Wohn- und Schlafzimmer und verletzte die schlafende Bewohnerin schwer. Nur eine aus der Wand gerissene Tür, die die herabstürzenden Trümmer abfing, bewahrte die 81 Jahre alte Frau vor dem wohl sicheren Tod. Balken und Bretter sollen notdürftig einen weiteren Einsturz des Hauses im kleinen Ort zwischen Neuruppin und Wittstock verhindern. Sofort wurden an der Unfallstelle zwei Tempo-30- Schilder aufgestellt, um einen weiteren Einsturz des Hauses zu verhindern.

Der aus Polen stammende 50-jährige Fahrer des Lastzuges mit einem für den Hamburger Hafen bestimmten Container liegt wie die Hausbewohnerin im Krankenhaus. In der Linkskurve vor dem Haus war er einfach geradeaus gefahren und hatte sich in den Giebel regelrecht hineingebohrt. „Er gab bei der Befragung an, dass er aufgrund eines plötzlichen Unwohlseins für einen Augenblick Gas und Bremse verwechselt habe“, sagte eine Polizeisprecherin.

Für die Rägeliner Ortsbürgermeisterin Gabriele Wäbersky ist der Unfall erneut ein Beweis für die „Gefahr durch den ständig wachsenden Lkw-Verkehr“. Schon mehrfach seien Lkw in Vorgärten gefahren oder hätten Laternen umgerissen. Dabei sei die marode Dorfstraße gar nicht für die Lkw-Massen ausgelegt. „Das sind doch alles Mautpreller, die eigentlich auf die nahe Autobahn gehören“, sagt die Bürgermeisterin. „Weil die sich die Maut sparen wollen, müssen wir hier unter Lärm und ständigen Risiken leiden.“

Tatsächlich stammen die meisten auf der schmalen und parallel zur Autobahn zwischen Berlin und Hamburg verlaufenden Landstraße 18 fahrenden Lkw aus Polen, dem Baltikum, und Russland. Wer ihnen folgt, macht eine erstaunliche Entdeckung. Die Laster kommen aus Stettin und verlassen schon an der Ausfahrt Finowfurt die A 11 und fahren dann auf der B 167 über Liebenwalde und Löwenberg bis nach Neuruppin, wo sie auf die besagte Landstraße in Richtung Rägelin einbiegen. Bei Fretzdorf kehren die Lkw auf die Autobahn zurück. Sie sparen dadurch nicht nur 37 Kilometer Fahrt, sondern auch im Schnitt 33 Euro Maut. Auf der Rückfahrt verdoppelt sich der Gewinn auf Kosten der Anwohner in den kleinen Orten.

Das Brandenburger Verkehrsministerium sieht keinen akuten Handlungsbedarf. „Wir können gar nicht feststellen, ob es sich im konkreten Fall immer um Mautpreller handelt“, sagt Sprecher Lothar Wiegand. „Niemand kann den Fahrern vorschreiben, eine bestimmte Route zu nehmen. Bundesstraßen sind schließlich für den Verkehr gebaut worden.“ Bei Problemen auf kleineren Landesstraßen könne der zuständige Landkreis Beschränkungen auf ein zulässiges Gesamtgewicht des Lkw oder ein Nachtfahrverbot aussprechen.

„Ich halte nicht viel von Reglementierungen“, entgegnet der Chef des Amtes für Ordnung und Sicherheit der Kreisverwaltung Ostprignitz-Ruppin, Mathias Witmoser. „Ein Lkw-Verbot würde schließlich auch den regionalen Lieferverkehr treffen. Man kann doch gar nicht alle Laster kontrollieren und sortieren.“ Wenigstens machte er den Rägelinern Hoffnung auf den längst versprochenen Straßenausbau. In diesem Jahr sollen die Bagger anrollen, um die Durchfahrt sicherer zu machen.

Bürgermeisterin Wäbersky dringt dabei besonders auf Straßenverengungen an den Ortseingängen, damit die Fahrzeuge ihre Geschwindigkeit drosseln. Allerdings hält sie es selbst für fraglich, ob damit die Mautpreller abgeschreckt werden können. „Da hilft nur ein generelles Verbot“, meint sie.

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