zum Hauptinhalt

Wahrzeichen: Det is Balin

Die Deutschlandhalle wird abgerissen, das Tacheles geräumt, und jetzt zieht auch noch Braunbärin Schnute weg … Berlin verliert seine Wahrzeichen. Zum Glück gibt es neue. Wir stellen die heißesten Anwärter vor

DIE ADMIRALBRÜCKE IST DIE NEUE GLIENICKER BRÜCKE

Im Kalten Krieg wurde die Glienicker Brücke zwischen Berlin und Potsdam zum Agentenaustausch benutzt und im Ausland „Bridge of Spies“ genannt. Heute treffen sich jeden Abend hunderte Menschen an der Kreuzberger Admiralbrücke über dem Landwehrkanal – zum freien Gedankenaustausch, vor allem aber zum Feiern. In englischen Reiseführern steht, hier könne man den „Spirit of Berlin“ erfahren. Stimmt.

VEDAT S. IST DER NEUE HAUPTMANN VON KÖPENICK

Friedrich Wilhelm Voigts Plan war genial: als Hauptmann verkleidet in das Köpenicker Rathaus eindringen, Bürgermeister verhaften, Stadtkasse rauben. Geschnappt wurde er trotzdem. Auch der Plan von Vedat S. klang mutig: Mit drei Komplizen ins Hyatt und den Jackpot eines Pokerturniers abgreifen. Leider lief alles schief. Vedat S. hinterließ Fingerabdrücke, weil er zu eitel war, gelbe Handschuhe zu tragen. Bei der Flucht riss er sich zu früh die Maske vom Kopf und wurde gefilmt. Sich für ein Projekt begeistern und es dann kolossal in den Sand setzen. Passt irgendwie zu Berlin.

MICHALSKY IST DER NEUE PELZ LÖSCHE

Einst zählten Ivan Rebroff und die Prinzessin von Saudi-Arabien zu seinen Kunden, doch in diesem Frühjahr musste Berlins Edel-Pelz-Legende Udo Heiler seinen Parterre-Laden am Ku’damm räumen. Gleichzeitig ist Berlin auf dem Weg zur Modestadt: mit Labels wie „Lala Berlin“ und „Kaviar Gauche“ und mit Zugpferd Michael Michalsky. Dessen Kreationen sind modern wie tragbar, stets mit Straßenkleidung zu kombinieren. So eine Mode kann man nicht in Paris machen.

DIE LIEBIG 14 IST DAS NEUE RAUCH-HAUS

Nicht mal Schlagstöcke und Tränengas konnten die Studenten stoppen, die 1971 das leer stehende Schwesternwohnheim am Mariannenplatz besetzten. Razzien und eine Hymne der Ton Steine Scherben machten das Georg-von-Rauch-Haus zum Symbol des Protests. Heute ist es längst befriedet und größtenteils vergessen. Als Hort des Widerstands gilt stattdessen die „Liebig 14“, das räumungsbedrohte Wohnprojekt in der Friedrichshainer Liebigstraße. Die jungen Leute machen sich Mut: „Wir sind viele und kämpfen zusammen!“ Klingt nach Rio Reiser.

HEINZ BUSCHKOWSKY IST DER NEUE SCHNUTE

Die beiden Stadtbären Maxi, 23, und Schnute, 28, sollen ihren Zwinger am Köllnischen Park verlassen, werden wohl nach Mecklenburg-Vorpommern umgesiedelt. Nein, Knut ist kein ebenbürtiger Ersatz. Sondern Neuköllns Bürgermeister, 61. Strahlt brummbärige Gemütlichkeit aus, verteilt aber gelegentlich Prankenhiebe. Schwer sympathisch.

DAS GRILL ROYAL IST DAS NEUE CAFÉ KRANZLER

Vor 20 Jahren schloss das legendäre Kaffeehaus am Kurfürstendamm, nur oben auf der Rotunde ist noch Betrieb. Das Kranzler hinterließ großen Hunger nach Klatsch, Tratsch und Sahnetorte. Dafür hat sich das Grill Royal an der Friedrichstraße als Glamour-Restaurant etabliert: mit 360-Gramm-Steaks, dem Eisbecher Stuckrad-Barre und der nackten Uschi Obermaier im Separee.Ein prominenter Stammgast will hier nach seinem Tod einen Teil seiner Asche verstreuen. Aber bitte nicht in der Küche.

KURT KRÖMER IST DER NEUE HARALD JUHNKE

Sie wuchsen beide in Wedding auf und waren lange Zeit auf die Figur des lustigen Berliners abonniert. Kurt Krömer und Harald Juhnke haben mehr gemeinsam, als die kassengestellbebrillte Fassade des Ersteren vermuten lässt – sie sind Entertainer im klassischen Sinne. Einen Unterschied gibt es dann aber doch: für Juhnke war Frank Sinatra Vorbild, er machte „My Way“ zu seinem eigenen Lied; Krömer hingegen bezeichnet sich als den „Robbie Williams vom Hermannplatz“, ohne je einen Hit des Sängers gesungen zu haben.

„SCHWARZ ZU BLAU“ IST DIE NEUE „BERLINER LUFT“

Einmal jährlich findet in der Max-Schmeling-Halle das Festival der Militärmusik statt. In der restlichen Zeit des Jahres hält sich die Begeisterung für diese Musikrichtung in Grenzen, Paul Linckes „Die Berliner Luft“ hin oder her. Gesellschaftlich akzeptiert hingegen ist das lässige Kopfnicken, und Peter Fox ist so was wie der Anführer aller Kopfnicker. Zumal sein Hit „Schwarz zu blau“ die Wirklichkeit nicht pseudokeck verklärt, sondern sie so beschreibt, wie sie ist: „Guten Morgen Berlin, du kannst so hässlich sein, so dreckig und grau, du kannst so schön schrecklich sein, deine Nächte fressen mich auf …“.

SCHWÄBELN IST DAS NEUE BERLINERN

Viel ist in den letzten Jahren geschimpft worden über die Schwaben, und die Vorwürfe sind immer dieselben: Sie würden aus der baden-württembergischen Provinz nach Berlin kommen, um hier die sogenannte Gentrifizierung voranzutreiben, in dem sie durch die Bereitschaft zur Zahlung horrender Mieten alteingesessene Kiezbewohner aus deren Vierteln vertreiben. So weit, so unumstritten. Wahr ist aber auch, dass sie mit ihrem Dialekt eine neue Klangfarbe in eben diese Stadtteile bringen – gegenüber der das Berlinern im Vergleich fast wie Hochdeutsch anmutet.

STRANDBARS SIND DIE NEUEN BIERGÄRTEN

Der Fußball-WM 2006 haben wir eine neue Lässigkeit zu verdanken, ein Lebensgefühl, das sich durch eine gewisse Zurückgelehntheit auszeichnet. Und die lässt sich in den zahlreichen Strandbars der Stadt am besten zelebrieren. Statt mit rundem Rücken an Bierbänken zu sitzen, fläzt man sich lieber auf Liegestühlen oder – noch besser – gleich im Sand. Langfristig könnte das zur Stärkung des Rückgrats beitragen.

CONNY OPPER IST DER NEUE ROLF EDEN

Die Lebensleistungen von Rolf Eden lassen sich wie folgt zusammenfassen: Im Berlin der Nachkriegsjahre hat er verschiedene Diskotheken eröffnet, seinem Hit „Abschlepp-Twist“ ist die Etablierung des Wortes „abschleppen“ zu verdanken, und mit seinen berühmten weißen Anzügen hat Eden die Schmerzbefreitheit in der Abendgarderobe eingeführt. Letztere treibt Partymacher Conny Opper mit seinen skurrilen Kostümierungen auf die Spitze – mitunter trifft man ihn auf seinen „Broken Hearts Club“-Partys im Hasenkostüm. Nachdem er wegen auslaufender Zwischennutzungen seine Clubs „Rio“ und „Scala“ schließen musste, betreibt er nun das „King Size“ an der Friedrichstraße. Ein Stadtmagazin bezeichnete die Tanzbar nicht mal zwei Monate nach ihrer Eröffnung bereits als den „Partykeller der Republik“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false