zum Hauptinhalt
einheitsdenkmal

© ddp

Gastkommentar: Deutschland schwierig Vaterland

Man hätte es sich fast denken können. Von den 525 Vorschlägen für das Einheitsdenkmal ist nicht einer realisierungswürdig und ein Drittel wurde sogar als Schrott bezeichnet. Doch es wäre wohl zu einfach, die Künstler zu schelten, meint Alexander Gauland.

Zeit und Umstände sind Bismarck-Türmen und Kaiser-Wilhelm-Denkmälern nicht günstig, die schon in jenen Tagen wie aus der Zeit gefallen wirkten. Wir haben heute in unserer Gesellschaft einen Grad von Abstraktion erreicht, der es immer schwieriger macht, prägende Bilder zu finden.

Über einen bekannten deutschen Theaterregisseur kursiert die Geschichte, dass er in seinem Büro, über einer Inszenierung brütend, auf die Glaswand einer Bank starrte und schließlich wissen wollte, was hinter dieser Wand vorgehe. Doch der von ihm angesprochene Direktor des Instituts zuckte nur die Achseln und meinte, dass es ihm unmöglich sei, die Abstraktion dieser Vorgänge zu erklären. Wie soll ich sie dann in Bilder fassen und auf die Bühne stellen, war der verzweifelte Ausruf des deprimierten Künstlers.

Nun mag man einwenden, dass der Fall der Mauer mit den auf ihr singenden und tanzenden Menschen einprägsam und verständlich zugleich war, doch ihre Umsetzung und Verdichtung in einem Kunstwerk, das mehr als einen kruden Realismus bietet, überfordert offensichtlich unser Vorstellungsvermögen. Denn anders als unsere Nachbarn, als Engländer, Franzosen und Amerikaner, können wir dabei nicht aus einem reichen Fundus vorindustrieller Traditionen und Symbole schöpfen.

Peagantry und Revolutionsmystik können immer von Neuem heraufgerufen werden, und es genügt, an die ruhmreichen Fahnen von Waterloo einen neuen Wimpel zu fügen, um den Falklandkrieg zu symbolisieren, oder neue Straßenzüge nach Jena und Austerlitz zu benennen. Ob die Mall in Washington oder Mitterands neuer Triumphbogen La Défense, sie knüpfen an die Ästhetik der Vergangenheit an, verlängern sie in die Gegenwart und entgehen so der künstlerischen Bilderlosigkeit des 3. Oktober 1990. Auch hier gilt, dass die Industriegesellschaft auf Fundamenten ruht, die sie nicht selbst schaffen kann, wenn sie einmal zerstört sind. Und diese Zerstörung hat Auschwitz bei uns besorgt, das ein unbefangenes Anknüpfen an die Vergangenheit verbietet.

Es bleibt uns also nichts anderes übrig als die fotografische Erinnerung an diesen Tag zusammen mit den Resten von Mauer und Stacheldraht zu bewahren und auf jede Ästhetisierung des Politischen zu verzichten. Der misslungene Wettbewerb hat wieder einmal deutlich gemacht, dass Deutschland noch immer ein schwieriges Vaterland ist. 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false