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Vom Plakat zum Laden. Auf der Suche nach Filmplakaten kam Patricia Kaufmann einst in die Pestalozzistraße – und schon war sie Geschäftsführerin.

© Thilo Rückeis

Filmstadt Berlin: Wo Otto sein Frühwerk fand

Ottifanten, Goldfinger, Autogramme: Das Berliner Filmantiquariat ist eine Schatzkiste für Fans.

Seine elf Darsteller für „Otto’s Eleven“hatte der Herr Waalkes komplett, aber in seiner Privatbibliothek klaffte eine schmerzliche Lücke: Ein Werk aus dem frühen Œuvre, irgendwas mit dem Ottifanten, hatte sich so gut verkauft, dass nicht mal er ein Exemplar zurückbehalten hatte. Gut also, dass einer der Drehorte seiner neuen Komödie ganz in der Nähe des „Berliner Filmantiquariats“ in der Charlottenburger Pestalozzistraße lag. Und so nutzte er eine Drehpause, schaute mal rein in diese Schatzkammer für Filmfreunde – und wurde fündig: Gleich zwei Exemplare der raren Ottifanten-Bände gab es, er nahm sie beide.

Eine signierte Autogrammkarte gleich am Eingang erinnert seither an den Besuch des Ostfriesen in dem mit Filmen und cineastischen Memorabilien aller Art vollgepackten Laden, fügt sich ein in eine ganze Galerie ähnlicher, anderen Stars entlockter Devotionalien, Kirk Douglas zum Beispiel, Joachim Fuchsberger, Harald Juhnke, Dieter-Thomas Heck, Désirée Nosbusch oder auch Doris Kaufmann. Die hat Patricia Kaufmann, seit 2008 Inhaberin des vor rund 50 Jahren gegründeten Filmantiquariats, allerdings nicht alle selbst eingesammelt, sondern teilweise vom Gründer und Vorbesitzer übernommen. An sich ist sie Juwelierin, beruflich ursprünglich befasst mit Schmuck und Uhren, aber schon damals Sammlerin von Filmplakaten, was sie auch in das Geschäft in der Pestalozzistraße führte. Sie kam mit dem Besitzer ins Gespräch, einem schon älteren Herren, der einen Nachfolger suchte, und allmählich entstand die Idee, dass ja auch sie selbst diese Aufgabe übernehmen und das Antiquariat mit all seinen Schätzen erwerben könnte.

Rund eine Million Filmplakate sollen es sein, fünf Millionen Fotos, Filmstills, Postkarten oder auch Sammelbilder längst vergessener Stars, wie sie etwa in den frühen dreißiger Jahren Zigarettenpackungen der Marke Bulgaria-Sport beigelegt waren. Käthe von Nagy? Kennt heute kaum noch jemand. Auch 250 000 Filmprogramme, Bücher, Videokassetten und DVDs gehören zum Warenbestand, schließlich Merchandisingprodukte von schon etwas angejahrten Kassenschlagern bis zu aktuellen Blockbustern. Abgedeckter Zeitraum der Filmgeschichte: von den dreißiger Jahren bis heute.

Der lang gestreckte, nicht sehr breite Raum quillt fast über vor Filmgeschichte. Das Plakat zu „Goldfinger“ von 1964, für viele noch immer der beste Bond-Film? Für 120 Euro zu haben. Oder doch lieber Antonionis „Blow Up“, „Faust“, „Die Halbstarken“ oder „Der Fall Brenken“ mit Veit Harlan, Trude Hesterberg und Adele Sandrock? Dicht an dicht reihen sich die mit Namen wie W.C. Fields, Jean Gabin, Gustaf Gründgens oder Aki Kaurismäki beschrifteten Ordner, gefüllt mit allerlei Memorabilien wie Presseheften, Fotos und anderem Werbematerial.

Die unterschiedlichsten Filmbedürfnisse sind hier schon befriedigt worden. Zur Wiedereröffnung des Zoo-Palasts 2013 beispielsweise sprach man bei Patricia Kaufmann vor, ob sie nicht ein Originalplakat der „Zürcher Verlobung“ habe, des Eröffnungsfilms des Hauses aus dem Jahr 1957. Sie hatte. Auch Jessica Schwarz konnte sie mit Büchern und Fotos helfen, als diese sich 2009 auf ihre Rolle als Romy Schneider vorbereitete. Eine Dokumentarfilmcrew, die über den Spielfilm „Komm zurück“ von 1953 mit Rudolf Prack und Winnie Markus und speziell zu den dort genutzten Autos recherchierte, wurde in der Pestalozzistraße ebenfalls fündig. Auch werden hin und wieder Plakate zu alten Filmen, vergilbte Filmzeitschriften und Ähnliches von Produktionsfirmen ausgeliehen, um ihre neuen, doch in der Vergangenheit spielenden Filme authentisch auszustatten.

Nach der Übernahme des Geschäfts hat Patricia Kaufmann die überwiegend auf Retro fixierte Sammlung nicht einfach so weitergeführt, sondern mit Erfolg versucht, auch jüngeres Publikum anzusprechen, es über den Umweg aktueller Reißer für die Filmgeschichte zu interessieren. Zu der gehören ja, nimmt man als Ausgangspunkt den neuen Tarantino, schon Werke wie „Reservoir Dogs“ oder „Pulp Fiction“. Klar, dass sie dazu alte Schaukastenfotos anbieten kann, Bruce Willis in Action beispielsweise. Dass ihr diese Ausweitung, des Angebots wie der Kundschaft, gelungen ist, macht sie besonders stolz.

Die wahren filmhistorischen Perlen stammen selbst aus Schätzen, von Sammlern zusammengetragen und später aus Altersgründen weggegeben. Oder sie wurden von deren Erben angeboten, so diverse Defa-Erinnerungsstücke, die ein in Babelsberg tätiger Regisseur gehortet hatte und die seine Witwe beim Umzug nach München verkaufte.

Aber danach steht dem Herrn nicht der Sinn, der jetzt etwas zögernd den Laden betritt, ratlos um sich blickt und sich an Patricia Kaufmann wendet: „Ich suche was von dieser Piaf. Haben Sie da was?“ Sie hat.

Berliner Filmantiquariat, Pestalozzistraße 93 in Charlottenburg, Telefon 31808724, Weitere Informationen unter www.berlinerfilmantiquariat.de

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