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Ein Mahnmalentwurf versucht, den verschiedenen Opfergruppen des Kommunismus gerecht zu werden. Ausgeschnittene Silhouetten sollen auf einer Art Gedenkallee gebeugte Regimegegner, Zwangsadoptierte und beruflich durch das System Geschädigte zeigen. Diese Idee stellten die Alona Antonow und Katarina Sopp, Studentinnen der TU Darmstadt, vor.

© Simulation: TU Darmstadt

Denkmal für Opfer der DDR: Architekturstudenten stellen Entwürfe für Mahnmal vor

Seit Jahren setzen sich Opferverbände und DDR-Bürgerrechtler für ein Mahnmal zur Erinnerung an die politisch Verfolgten in der DDR ein. Nun haben Architekturstudenten aus Darmstadt erstmals Entwürfe vorgestellt.

Trabi-Safari, Mauer-Museum und original ostdeutsche Currywurst – ein Imageproblem hat die DDR eigentlich nicht: „In Berlin wird die DDR dargestellt wie eine kunterbunte Wohlfühl-Welt, die es sich lohnt wieder zu erleben“, beschreibt Robert Maximilian Sand, Architekturstudent an der TU Darmstadt, seinen Eindruck von der DDR-Erinnerungskultur. Er ist gerade zu Besuch in der Hauptstadt und hat ein ganz anderes DDR–Bild im Kopf: eine Wasserzelle, in der Häftlinge tagelang im kniehohen Wasser ausharren mussten.

Abseits des Kults um Ampelmännchen und Mauerreste setzen sich Opferverbände und DDR-Bürgerrechtler schon seit Jahren für ein Mahnmal zur Erinnerung an die politisch Verfolgten in der DDR und der sowjetischen Besatzungszone ein. Nun wird zum ersten Mal konkret diskutiert, wo ein solches Denkmal stehen und wie es aussehen könnte. Der Bundestag soll sich noch in diesem Jahr damit befassen. Nun haben Architekturstudenten aus Darmstadt erstmals Entwürfe für ein Opfer-Mahnmal vorgestellt. Und damit die Frage an die Berliner Öffentlichkeit gerichtet: Braucht die Stadt noch ein weiteres wichtiges Denkmal in ihrer Mitte? „Es gibt einen Überdruss an Denkmälern“, sagt selbst Florian Mausbach, einer der wichtigsten deutschen Stadtplaner und selbst verantwortlich für ein Denkmal, das es noch nicht gibt: die Einheitswippe (die derzeit wegen Fledermäusen und alten Mosaiken auf der Kippe steht).

Die Ideen sind vielfältig

Die Anforderungen an ein Mahnmal sind ohnehin groß: Es soll Menschen ansprechen, die unter einer Diktatur gelitten haben und gleichzeitig Denkanstöße für Generationen bieten, die das System selbst nicht erlebt haben, erklärt Landschaftsplanerin Constanze Petrow, die das Projekt an der TU Darmstadt leitet.

Die Ideen der Studenten sind so vielfältig wie die Wünsche des Publikums auf der Präsentation der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) am späten Mittwochabend. Ein Opfer-Denkmal dürfe sich nicht aufdrängen, sagen die einen. Gut sichtbar und nicht zu abstrakt muss es sein, finden die anderen.

Der Vorschlag der Studentin Patricia Pesch – ein Handabdruck, eingelassen in eine vier mal vier Meter große Glasscherbe – sucht die Kraft des Denkmals in einer einzigen Emotion: der Sehnsucht. „Es ist ein Gefühl, das die Opfer auf beiden Seiten der Mauer empfunden haben und das auch Menschen heute kennen“, meint die Studentin. Die Besucher sollen diese Sehnsucht nachempfinden können, wenn sie ihre eigene Hand in das Relief legen.

Ein Denkmal wäre machbar

Ob ein solches Mahnmal denn tatsächlich gebaut wird, entscheidet der Bundestag. Ein Parlamentarier, der sich des Themas angenommen hat, ist der CDU-Abgeordnete Philipp Lengsfeld. „In der Fraktion gibt es schon jetzt einen großen Konsens für das Projekt“, sagte Lengsfeld dem Tagesspiegel. Eine erste Anhörung im Bundestag könne im Herbst diesen Jahres stattfinden. Dort dürfte auch über die Ideen der Studenten diskutiert werden, die selbst Mausbach als „reif für einen Wettbewerb“ befand. Dann wird eine Jury darüber befinden: Wie abstrakt darf es sein? Wie interaktiv kann man Erinnerung an die Opfer darstellen, ohne ihre Gefühle zu verletzen?

Ganz konkret kommt der Entwurf von Sand und Isabella Mugavero daher: Aus einer ein Quadratmeter kleinen Wasserzelle aus Bronze versucht eine Figur, stellvertretend für alle Opfer, auszubrechen. Die Wasserzelle war eine extreme Form der Demütigung in Gefängnissen der Staatssicherheit, die in vielen Zeitzeugenberichten auftaucht.

Der Student Christian Margarit hat die Einschränkung der Meinungsfreiheit zum Thema gemacht. Ein großer Beton-Kubus soll daran erinnern, dass das freie Denken in der DDR wie in einem Tresor eingeschlossen wurde. In den Kubus eingelassen sind die Zeilen des Volkslieds „Die Gedanken sind frei“, das viele Oppositionelle vor und während der Wende auf den Lippen hatten. Egal wie abstrakt oder konkret die Entwürfe aussehen, sie alle zeigen für den DDR-Oppositionellen Stephan Hilsberg: „Ein Denkmal für die Opfer des Kommunismus in Deutschland ist machbar.“

Stehen soll es an prominenter Stelle

Geht es nach dem Opferverband UOKG sollte ein Mahnmal an möglichst prominenter Stelle in Berlin stehen. Tatsächlich könnte das Projekt im eher drögen Spreebogenpark, auf der gemähten Wiese zwischen Bundestag und Hauptbahnhof, umgesetzt werden. Diesen Vorschlag wollen die Initiatoren auch aus Politikerkreisen schon bestätigt wissen. Doch bis zu einer Errichtung dürfte es noch ein paar Jahre dauern.

„Denkmäler entstehen nie von heute auf morgen“, sagt Florian Mausbach, langjähriger Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung. Auch das erste Holocaust-Mahnmal in Frankfurt am Main sei erst 40 Jahre später errichtet worden. Außerdem müsse man auch eine gewisse Hierarchie des Gedenkens beachten. Ein Mahnmal für die Opfer des Kommunismus dürfe zum Beispiel nicht größer oder wichtiger daherkommen als ein Holocaust-Mahnmal, findet Mausbach.

Kosten von einem einstelligen Millionenbetrag

Und was soll das alles kosten, fragte Moderator Robert Ide, Berlin-Chef beim Tagesspiegel, während der Debatte. Initiator Hilsberg und Stadtplaner Mausbach gehen von einem einstelligen Millionenbetrag aus. Laut Lengsfeld müsste sich das Land Berlin beteiligen, die Hauptlast trage aber dann der Bund.

Ist das alles den Aufwand wert? In der Bevölkerung haben Opfer-Denkmäler nicht gerade eine große Anhängerschaft. „Deutschland ist übersät mit Denkmälern aus der Gründerzeit und aus den Zeiten beider deutscher Diktaturen. Davon haben die Leute genug“, sagt Mausbach. Trabi-Fahrten und Currywurst kommen im Zweifel eben besser an.

Luisa Jacobs

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