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Monika Grütters hat als Landesvorsitzende die Berliner CDU im vergangenen Jahr neu ausgerichtet.

© Markus Schreiber / AP

Landespolitik: Die Berliner CDU sucht ihren Kurs

Monika Grütters und ihre Partei müssen in diesem Jahr Schwerpunkte setzen. Das betrifft Bündnisoptionen ebenso wie die Zukunft ihres Spitzenpersonals.

Von Ronja Ringelstein

Das vor ihr liegende Jahr wird für die Berliner CDU entscheidend. Im Jahr drauf steht ein neuer Wahlkampf an, im Mai 2019 wird das Europaparlament gewählt. Und für die Christdemokraten im Abgeordnetenhaus besonders wichtig: Sie wählen dann auch ihren Fraktionsvorsitz. Wer auf diesen Posten kommt, könnte 2021 auch Spitzenkandidat für die Berlin-Wahl werden. In den kommenden Monaten muss sich die Berliner Union deshalb auf einen Kurs festlegen – davon hängt alles ab: Personal und Bündnisfähigkeit.

Die CDU Berlin will wieder regieren. Gegen eine linke Mehrheit in der Stadt und ohne natürlichen Koalitionspartner nicht einfach. Die AfD ist „Partei non grata“, die FDP ist zu schwach und zieht ihr eher Wähler ab. Eine Annäherung an die Grünen erscheint im Land schwieriger als im Bund. Auch wenn sich das heimlich einige CDUler vorstellen können. Die ungeliebte SPD wolle man endlich, nach 32 Jahren ununterbrochenen Regierens, in der Opposition sehen. Dafür aber müsste die Union zunächst an Profil gewinnen, die Wahlschlappe von 2016 mit 17,6 Prozent hat sie noch nicht hinter sich gelassen.

Zweifel, ob Grütters ernsthaft an Landespolitik interessiert ist

Landeschefin Monika Grütters und ihr Generalsekretär Stefan Evers haben für die Neuausrichtung der Partei neue Foren und Diskussionsformate eingeführt und die Landesfachausschüsse erweitert, an deren Anfang eine Mitgliederbefragung stand. Das Ergebnis: Die Themen Innere Sicherheit und Integration, Bildung, Wirtschaft und Wohnen finden die CDU-Mitglieder am wichtigsten. Mit den Themen sind Namen verbunden.

Spätestens der anstehende Wahlkampf wird zeigen, wo die Schwerpunkte wirklich liegen. „Wir wollen mit eigenen europapolitischen Vorstellungen für Berlin ins Europawahljahr starten“, kündigt Evers an. Er leite das Europaforum der CDU und ist federführend bei der „Werkstatt Europa“, wo man Ideen diskutieren will. Evers selbst könnte wieder für einen Sitz im Europaparlament kandidieren. Bei der Wahl 2014 stand er auf der Berliner Liste der CDU hinter dem Europaabgeordneten Joachim Zeller auf Platz zwei. Doch Evers hat sich auch beim Thema Bauen Anerkennung erarbeitet und erinnert den Senat regelmäßig an dessen Rückstände beim Wohnungsbau.

Haben noch viel vor: Der Generalsekretär der Berliner CDU, Stefan Evers (rechts) und der Vorsitzende des Zukunftsforums der Berliner CDU, Mario Czaja.
Haben noch viel vor: Der Generalsekretär der Berliner CDU, Stefan Evers (rechts) und der Vorsitzende des Zukunftsforums der Berliner CDU, Mario Czaja.

© Lino Mirgeler / dpa

Monika Grütters habe als Landesvorsitzende natürlich das erste Zugriffsrecht auf die Spitzenkandidatur für die Abgeordnetenhauswahl, heißt es. Womöglich geht dieses Bekenntnis einigen so leicht über die Lippen, weil sie bezweifeln, dass Grütters – Kulturstaatsministerin mit Arbeitsstelle im Bundeskanzleramt – ernsthaftes Interesse an Landespolitik hat.

Doch auch der Fraktionsvorsitz im Abgeordnetenhaus wäre eine gute Position für jemanden, der sich später als Spitzenkandidat für die Abgeordnetenhauswahl 2021 – und somit als Kandidat für das Amt des Regierenden Bürgermeisters – ausrufen lassen will. Derzeit ist Florian Graf Chef der Fraktion. Möglich wäre, dass ein Machtkampf um seine Stellung losbricht, wenn klar würde, dass die Landeschefin als Spitzenkandidatin nicht zu Verfügung steht. Nicht umsonst spricht sich Grütters für einen Mitgliederentscheid in der Sache aus. Es würde Frieden schaffen.

„Weniger Hinterzimmer, mehr Miteinander“

Offiziell wird Grütters als Landesvorsitzende hoch gelobt. Allerdings ist mancher ganz zufrieden, dass sie sich aus vielem raushält. Florian Graf, Stefan Evers und Monika Grütters betonen regelmäßig, wie reibungslos und gut die Abstimmung zwischen Landesverband und Fraktion laufe. Bei den wöchentlichen Abstimmungsrunden ist Grütters nicht dabei.

Eigene Inhalte nach vorne bringen und ja den innerparteilichen Frieden wahren, „weniger Hinterzimmer, mehr Miteinander“, diese Devise gab Monika Grütters aus. Bisher scheint das zu klappen. Personaldebatten will jetzt keiner führen, auch wenn sie manchmal von außen befeuert werden. Es war der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), der bei seiner Plenarrede zum Haushalt an den Fraktionsvorsitzenden Graf gerichtet sagte: „Ich habe mich gewundert, dass Herr Czaja Sie doch noch mal hat reden lassen – vermutlich nur, um der eigenen Fraktion vorzuführen, dass da jetzt doch mal etwas zu entscheiden ist.“ Müller könnte an einem kleinen CDU-Scharmützel Gefallen finden. Und: Einen Kandidaten verbrennt man am besten, indem man ihn zu früh in den Mittelpunkt rückt.

Womit Müller recht haben kann, sind Mario Czajas große Ambitionen, die er freilich noch nicht preisgibt. Er gilt als kluger Kopf, als fleißig. Er steht dem Zukunftsforum der Partei vor, sitzt im Bildungsausschuss und gilt bei dem Thema als Experte mit pragmatischen Ansätzen. Nur er holte 2016 in seinem Wahlkreis in Marzahn-Hellersdorf entgegen dem Abwärtstrend ein phänomenales Erststimmenergebnis: 47,2 Prozent. Viele sehen ihn in der Führungsriege. Doch gegen Grütters würde er sich für eine Spitzenkandidatur nicht stellen. Auch die Hochphase der Flüchtlingskrise, in der er als Senator für Gesundheit und Soziales das Chaos in seinem Landesamt, dem Lageso, nicht bewältigt bekam, sind nicht vergessen.

In der Tagesspiegel-Umfrage liegt die CDU mit 21, 2 Prozent vorne

Sein Fraktionschef Florian Graf hat hingegen keine Altlasten. Auch er sieht sich in der ersten Reihe, seit 2011 steht er der Fraktion vor. Nach der Abgeordnetenhauswahl wurde er mit über 93 Prozent wiedergewählt. Ob er das noch einmal schafft? Er spüre jedenfalls eine „breite Unterstützung für seine Arbeit im Abgeordnetenhaus“. Und: „Die Fraktion steht hinter meinem Kurs, sich auf die inhaltliche Arbeit zu konzentrieren, anstatt sich in Personalfragen zu verlieren.“ Bevor diese Entscheidungen getroffen werden, so der Konsens, müsse man sich thematisch von Rot-Rot-Grün abheben. Es scheint, dass einige Berliner das registrieren. In der aktuellen Umfrage zur Sonntagsfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag des Tagesspiegels regelmäßig durchführt, liegt die CDU derzeit bei 21, 2 Prozent, vor der SPD mit 19, 1. Andere Umfragen sehen sie hinter der SPD, es ist knapp, aber ein Aufwärtstrend für die Konservativen.

Weil sie der Koalition stets „Klein- Klein“ und „Klientelpolitik“ vorwirft, möchte die CDU lieber die „große Linie“ entwerfen. Dafür erarbeitet sie Konzepte, demnächst kommt ihr „Masterplan Wohnen“, im vergangenen Sommer startete sie mit einem zum Verkehr. Ein langer Ideen-Katalog war das. Aus der Opposition heraus fordert es sich leichter – den Punkt „Finanzierung“ gab es nicht in dem Konzept. Ein Erfolg der CDU könnte das Volksbegehren Videoüberwachung werden: Die erste Hürde ist geschafft. Mit ihrem innenpolitischen Sprecher, Burkard Dregger, hat sie jemanden, der auch parteiübergreifend als Innenexperte geschätzt wird. Dregger gilt als die konservative Kraft, die einige CDU-Wähler an Merkels Kurs vermissen. Er selbst sieht sich als innenpolitischen Oppositionsführer, der SPD-Innensenator Andreas Geisel herausfordert, wo er kann. Besonders beim Thema Abschiebungen und Abschiebehaft für Gefährder setzt er Kontrapunkte gegenüber der Koalition.

Beim Festlegen ihrer Schwerpunkte muss die CDU auch die Bündnisfähigkeit mitdenken. Mit großem Interesse verfolgen sie in der Berliner CDU die Entwicklungen der Grünen im Bund, die sich mit ihrer neuen Parteiführung aus Robert Habeck und Annalena Baerbock zwei Realos an die Spitze gesetzt haben. Bei den Landes-Grünen, die sich in der Vergangenheit vereinzelt offen gezeigt hatten für eine Annäherung mit der CDU in Berlin, empfinden allerdings manche den Graben zwischen den Parteien heute als so tief wie lange nicht. Von einem „Schlingerkurs“ der Union ist die Rede. Manchmal zu rechts, als Antwort auf die AfD, manchmal wieder mittig. Bei den Themen Umwelt- und Wohnungspolitik aber sehen einige durchaus Gemeinsamkeiten. Es können Nuancen sein, die letztlich über potentielle Partner für eine mögliche Regierung entscheiden.

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